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Wie jeder andere Politiker könne Donald Trump seine Wahlversprechen nicht einhalten, sagt US-Autor David Cay Johnston. Er glaubt allerdings auch nicht, dass Trump das überhaupt will.

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Ein Unterstützer Trumps auf einer Wahlkampfveranstaltung im Oktober in Florida. Viele Menschen, denen es wirtschaftlich schlecht geht, stimmten für Trump – obwohl er ihnen keine Lösungen aus ihrer ökonomischen Misere bot, sagt Johnston.

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"Die Akte Trump" von David Cay Johnston erschien im September auf Deutsch.

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Seit den 1980er-Jahren berichtet der Autor und Journalist David Cay Johnston über Donald Trump. In seinem neuen Buch "The Making of Donald Trump" ("Die Akte Trump") beschreibt er unter anderem dessen obskure Geschäftspraktiken und Verbindungen zu Kriminellen. Der Donald Trump aus dem Wahlkampf werde sich auch in Zukunft nicht verändern, sagt Johnston.

STANDARD: Donald Trump hat die US-Wahl vor zwei Wochen für sich entschieden. Wollten er und sein Wahlkampfteam das überhaupt? Oder eher bei einer Niederlage das "manipulierte System" verantwortlich machen?

Johnston: Donald ist eingestiegen, um zu gewinnen. Das heißt nicht, dass er den Job, Präsident zu sein, machen will. Aber gewinnen ist alles für Donald, und der größte Preis der Welt ist die US-Präsidentschaft. Er ist nicht interessiert daran, die meiste Arbeit zu machen.

STANDARD: Wie konnte er die Menschen überzeugen?

Johnston: Millionen Amerikaner, die ihre Jobs verschwinden sehen, deren Einkommen stagnierten, die hart arbeiten und nirgendwo hin kommen, hatten es satt, dass Washington ihre Anliegen nicht beachtet – und beide Parteien haben das gemacht.

STANDARD: In einem Interview im August bezeichneten Sie Trump allerdings als einen "aktiven Feind der Menschen, die von der Wirtschaft ruiniert wurden" – diese Menschen haben ihn dennoch gewählt und dazu beigetragen, ihn zum Präsidenten zu machen. Wieso?

Johnston: Aber das wissen sie nicht. Donald Trump hat im Wahlkampf gesagt, Löhne sind zu hoch. Seine Handelspolitik begünstigt diese Menschen nicht. Es ist nicht Österreich, Deutschland oder Frankreich, wo die Menschen ein relativ durchdachtes Verständnis von Politik haben, es geht um die USA, wo Menschen für den Präsidenten stimmen, mit dem sie sich eher vorstellen können, ein Bier trinken zu gehen. Sie haben keine Ahnung, wen sie da eigentlich gewählt haben. Seine gesamte Kampagne basierte auf Betrug. Die meisten wissen nichts über seine sehr tiefe, lebenslange Verbindung mit Kriminellen, die ich in meinem Buch schildere.

STANDARD: Was erwarten Sie sich von einem US-Präsident Trump? Wird er anders regieren, als er Wahlkampf geführt hat?

Johnston: Wir sehen sehr klar, welche Regierung er zusammenstellt. Stephen Bannon, der durch "Breitbart News" für Äußerungen gegen Juden und Schwarze sowie Verschwörungstheorien bekannt ist, wird sein Chefstratege. Jeff Sessions, ein rassistischer Senator aus Alabama, wird Justizminister. Der Donald Trump aus dem Wahlkampf ist der Donald Trump, den wir jetzt sehen, wie er sich auf das Weiße Haus vorbereitet. Es wird eine Administration der Spaltung, der Unterdrückung von Menschenrechten, eine Kehrtwende der feministischen und der Bürgerrechtsbewegungen in den USA.

STANDARD: Kann er seine Versprechen aus dem Wahlkampf umsetzen?

Johnston: Natürlich nicht, kein Politiker kann das. Ich glaube auch nicht, dass er seine Versprechen umsetzen will – Donald ist ein Hochstapler. Bevor er für Präsidentenamt kandidierte, war er eigentlich ein liberaler Demokrat. Er glaubte an das Recht einer Frau, sich für eine Abtreibung zu entscheiden, jetzt ist er gegen Abtreibungen und erklärt sie zur Sache der Bundesstaaten. Er hat indirekt illegale Einwanderer beschäftigt, jetzt will er sie aus dem Land werfen. Er sagte, Hillary Clinton wäre eine großartige Präsidentin, bevor er gegen sie angetreten ist. Er ist kein guter Geschäftsmann, das ist Teil seines Betrugs. Er sagt, er verwandelt Dinge zu Gold, aber eigentlich saugt er nur Gold aus und lässt die Hülle zurück.

STANDARD: Hätte Trump die Wahl mit anderer Berichterstattung nicht gewonnen?

Johnston: Das wissen wir nicht. Journalisten müssen mitteilen, was wichtig ist. US-Journalisten haben diese Pflicht nicht erfüllt. Zum Teil hat Donald Trump sehr unkritische Berichterstattung erhalten, zum Teil kritische – aber das ist die falsche Betrachtungsweise: Er bekam Berichterstattung. Wenn man etwas die ganze Zeit sieht, gewöhnt man sich daran. Die Menschen haben sich an ihn gewöhnt und aufgehört, ihn als bizarr zu betrachten. Schätzungen gehen davon aus, dass er vier Milliarden US-Dollar an TV-Berichterstattung bekommen hat.

STANDARD: Gibt es etwas, was Ihnen Hoffnung macht? Was passiert im besten Fall?

Johnston: Nein. Im besten Fall tut er nichts und ist einfach für vier Jahre ineffektiv. Ich habe mich sehr angestrengt, etwas zu finden, was ich positiv an Trump finde. Na ja, er hat den Trump Tower im Zentrum Manhattans gebaut, das ist eigentlich eine ziemliche Leistung, ob man nun die Architektur mag oder nicht. Ich bewundere seinen Erfolg, sich zu einer Marke zu machen.

STANDARD: Welche Eigenschaft Trumps macht Ihnen am meisten Angst, wenn Sie an ihn als Präsident denken?

Johnston: Er hat keine Ahnung. Das ist ein Mann, der "Ich liebe Krieg" sagte. Oder sich fragte, warum man keine Atomwaffen in Europa oder Atomwaffen überhaupt einsetze. Er kennt den Unterschied zwischen einem Sunniten und Schiiten nicht, seine Kampagne hat sogar in einer Postwurfsendung einen Sikh als Muslim bezeichnet. Er ist einfach der größte, erfolgreichste Hochstapler, den ich kenne.

STANDARD: Was sind Unterschiede zu anderen US-Präsidenten?

Johnston: Barack Obama, Bill Clinton oder George W. Bush respektiere ich als Politiker, die daran glauben, dass das, was sie tun, das Richtige ist. Ich bin nicht zynisch, wenn sie politische Strategien vorlegten, die ich als falsch interpretierte, habe ich kritisch darüber berichtet. Donald Trump hat keine politischen Strategien, außer der Verherrlichung des großartigen Donald Trump, der sagt, er wäre uns genetisch überlegen.

STANDARD: Sie haben also keinerlei Hoffnung?

Johnston: Vielleicht kommen seine Berater auf eine Strategie, die diesen Menschen doch hilft und die Situation verbessert. Aber seine Ausgaben: Er will sich um die Schulden kümmern, eine Mauer bauen, ein großes Infrastrukturprogramm, das Militär aufstocken – die Republikaner wollen aber zugleich die Steuern nicht erhöhen, Trump sagt, er will das mit Wirtschaftswachstum erreichen – das dauert aber mehrere Jahre. Das funktioniert nicht, die Mathematik funktioniert nicht.

STANDARD: Sehen Sie die Möglichkeit, dass Trump zurücktritt, wenn es nicht so läuft, wie er es sich vorstellt?

Johnston: Donald Trump würde niemals freiwillig zurücktreten, das würde ihn zum Verlierer machen. Wenn er abgesetzt wird, würde er vom "manipulierten System" sprechen.

STANDARD: Halten Sie ein Impeachment für realistisch?

Johnston: Wenn Trump dem US-Militär aufträgt, zu foltern oder Atomwaffen einzusetzen, werden die Offiziere diese Befehle nicht ausführen. Wenn er dann damit anfängt, Generäle zu feuern, weil sie seine Befehle nicht befolgen oder weil er glaubt, er weiß mehr über den IS als sie, sollte man sich wirklich Sorgen machen, dass er sich verfassungswidrig an der Macht halten wird. Nichts davon muss passieren, aber der Punkt ist, das war nicht mal annähernd vorstellbar mit Hillary Clinton, Barack Obama oder George Bush.

STANDARD: Wie werden die USA in vier Jahren aussehen?

Johnston: Ich habe keine Ahnung, wir betreten völliges Neuland. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, wie das gut ausgehen könnte. Gleichzeitig gibt es sehr viele Wege, wie das schieflaufen könnte, weil man hier einen Typen hat, der nicht mal den Job des US-Präsidenten versteht. (Noura Maan, 23.11.2016)