Gewürze: noch immer das Traumbild vom Orient. Und manchmal stimmen Klischees sogar.

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Der persische Poet, Astronom und Mathematiker Omar Khayyam (gestorben 1131) hatte insofern ein Masel, als er in einer Zeit lebte, in der er ein Gedicht folgenden Inhalts schreiben konnte: Auf dessen Anfrage – auch die ist ein Vierzeiler – lässt der Prophet Mohammed dem Omar Khayyam ausrichten, dass der Weingenuss nur dem Toren, nicht jedoch dem Weisen verboten sei. Grundgütiger, was würde heute mit einem Dichter passieren, der den islamischen Propheten dazu heranzieht, um zu empfehlen, dass der kluge Mensch sich zum Abendessen ein Vierterl genehmigt!?

Die Ironie der Geschichte ist, dass das jedoch in Sure 16:67 im Koran genau so geschrieben steht: Der Wein ist eine Gottesgabe für Verständige. Erst später wird alles immer strenger, die frühen Muslime waren Allah offensichtlich doch nicht vernünftig genug.

Das alles – natürlich ohne die respektlosen Kommentare der Rezensentin – lässt sich im neuesten Buch des deutschen Islamwissenschafters Peter Heine nachlesen: Aber keine Angst, darin geht es nicht um islamische Theologie, sondern um eine Kulturgeschichte der orientalischen Kulinarik.

Und damit unserer Esskultur

Zwar haben sich die braven Christen am Gründonnerstag schon beholfen, bevor sich der Spinat auf den Handelswegen aus dem Osten auch in Europa ausgebreitet hatte (mit Gartenmelde zum Beispiel, wie man in einer Nebenbemerkung Heines erfährt). Aber der Gedanke an die heimische Kulinarik vor der frühen Globalisierung lässt doch einigermaßen den Gaumen einschlafen. In die andere Richtung war es nicht ganz so aufregend, mit der großen Ausnahme des Paradeisers, der vom neuen Kontinent kommend auch in der nah-mittelöstlichen Küche schnell und völlig assimiliert wurde. Bei den Kartoffeln ging es etwas langsamer.

"Unter Dornensträuchern Pilze mit Butterfett / Kamelleber mit Höckerfett ist wirklich nett", dichtet Abu l-Hindi um 750, und so etwas findet man in diesem Buch von Peter Heine genauso wie Betrachtungen zur nationalen Identität und gewissen Speisen – wie beim arabisch-israelischen Streit um Hummus und Falafel (könnten sie sich doch nur darauf beschränken!). Heine spannt einen weiten thematischen Boden. Das Buch ist in acht Kapitel gegliedert: Die islamischen Grundlagen, die Küche unter wichtigen Dynastien (zeitlich von den Omayyaden bis geografisch zu den Moguln), Kochbücher, kulinarischer Transfer vom Osten in den Westen, das Gleiche vom Westen in den Osten, orientalische Küche in Europa, moderne orientalische Küche, Politik und Wirtschaft.

Lese- und Kochbuch

Es handelt sich demnach um ein Lesebuch, aber Kochbuch ist es insofern, als es von Rezepten, viele davon historisch, durchzogen ist. Manches wird man aus kulinarischem Interesse lesen – etwa "Faludhaj", eine Süßspeise, deren Erwähnung durch den Engel Gabriel schon den Propheten zum Seufzen gebracht haben soll -, manches lädt zum Nachkochen ein, wie das Rezept für die marokkanische Harira, die Kichererbsensuppe mit Lammschulter, das "Feldforschungen" Heines zu verdanken ist. Die Harira ist von jüdischen Marokko-Auswanderern in die USA mitgenommen worden, sie ist also heute auch ein amerikanisch-jüdisches Gericht.

Und genau so soll es sein. Viele im Westen haben ihr Wissen über die nahöstliche/nordafrikanische Küche von einer ägyptischen Jüdin vermittelt bekommen, Claudia Roden. So einfach ist es eben nicht mit der Identität. Aber jeder, der einmal in einem "orientalischen" – was immer das ist – Haus zu Gast war, weiß um den Stellenwert des Essens. Da geht es um viel mehr als um Nahrungsaufnahme. Welchem Nahostreisenden ist es nicht passiert, dass er, als er der Speisen ansichtig wurde, verstohlen um sich sah und sich fragte: "Wo sind die anderen Gäste?" Essen ist auch Ehre, die diese gepeinigte Region irgendwann einmal wiederfinden wird. (Gudrun Harrer, RONDO, 25.12.2016)