Langfristig werden nur geburtenstärkere Jahrgänge der Überalterung entgegenwirken können.

Foto: APA/HERBERT P.OCZERET

Wien – 2004 zählte Wien 1,61 Millionen Einwohner. Bis 2029, so prognostizierten die Demografen von Statistik Austria damals, würde sich der Bevölkerungsstand der Bundeshauptstadt auf ein Maximum von 1,7 Millionen erhöhen. Nur zwölf Jahre später hält Wien bei 1,86 Millionen Menschen, und der Zweier vor dem Komma ist nur noch eine Frage der Zeit. Welchen Zweck haben solche Prognosen, wenn sie in nur wenigen Jahren obsolet werden?

"Natürlich darf ihr Gewicht nicht überbewertet werden", sagte Konrad Pesendorfer, der Generaldirektor von Statistik Austria, bei der Präsentation der aktuellsten Bevölkerungsprognose am Dienstag. Man habe immer ein Gegenwartsbias, denke die Welt also so fort, wie sie sich zuletzt entwickelt hat. "Und es gibt im Leben Dinge, die man nicht vorhersagen kann – oder möchte. Was in Syrien passiert ist, hätte der beste Prognostiker nicht vorhersehen können", sagte Pesendorfer. Derzeit seien wir sehr stark geprägt von Flüchtlingsbewegungen, es könne aber sein, "dass wir bald um gut ausgebildete Zuwanderer ringen, weil uns die Erwerbsbevölkerung ausgeht", so der Chefstatistiker.

Neben dem einzigartigen Anstieg und Fall der Asylantragszahlen in den vergangenen beiden Jahren veranschaulicht auch der Niedergang der Geburtenrate nach Einführung der Antibabypille in den 1960er-Jahren die Grenzen seriöser Bevölkerungsprognosen. Die Fertilitätsrate sank innerhalb nur eines Jahrzehnts von 2,8 auf 1,6 Kinder pro Frau und damit unter das Bestandserhaltungsniveau von 2,1. Heute liegt die Fruchtbarkeitsrate bei 1,5 Kindern pro Frau, und höher als auf 1,6 wird sie laut der jüngsten Projektion bis zum Prognosehorizont 2080 nicht mehr steigen.

Das ist auch der Grund dafür, dass sich die Einwohnerzahl Österreichs nur durch Zuwanderung erhöhen wird. Von heute 8,77 auf neun Millionen Menschen soll sie bis 2020 anwachsen, und auch wenn sie diese Annahme seit der letztjährigen Prognose um zwei Jahre vorverlegen mussten, halten sie die Demografen noch für relativ robust. Der zehnmillionste Einwohner wurde für 2080 errechnet.

Dabei soll Kärnten als einziges Bundesland nicht zum Wachstum beitragen. Während Wien bis 2080 ein Anstieg von 25,5 Prozent auf mehr als 2,3 Millionen Einwohner erwartet, und selbst der – für die Steiermark prophezeite – geringste Bundesländeranstieg 7,9 Prozent beträgt, dürfte Kärnten um 2,9 Prozent Einwohner verlieren.

Wien indes soll die Zweimillionenmarke bereits um den Jahreswechsel 2022/23 erreichen. "Möglicherweise ist das Neujahrsbaby der zweimillionste Mensch in Wien", sagte Statistik-Austria-Demograf Alexander Hanika.

Der Anteil der im Ausland geborenen Einwohner soll sich von heute knapp 18 Prozent auf mehr als ein Viertel im Jahr 2060 erhöhen. So hoch wie 2015, als 113.067 Personen mehr ein- als auswanderten, wird der Wanderungssaldo aber nicht angenommen. In den nächsten Jahren soll er jeweils 63.000 Personen betragen und bis 2040 auf 26.000 sinken. Ohne Zuwanderung würde die Einwohnerzahl bis 2080 auf unter 6,5 Millionen fallen.

Großen Einfluss hat die Zuwanderung auch auf den Altersschnitt der Bevölkerung: Während der Anteil der über 64-Jährigen laut Hauptvariante von heute 18 bis 2080 auf 29 Prozent steigen soll, würde er ohne Immigration auf 36 Prozent anwachsen. Hauptgrund für die Alterung ist die bis 2080 steigende Lebenserwartung von 78,6 auf 89,2 Jahre bei Männern und 83,6 auf 92,3 Jahre bei Frauen.

Grafik: Der STANDARD

Die Zahl der Bewohner im Erwerbsalter wird in absoluten Zahlen stabil bleiben, relativ dürfte er allerdings von 62 auf 52 Prozent sinken – ohne Zuwanderung sogar auf 30 Prozent. Alleinige Lösung für die bevorstehende Pensionskrise könne die derzeitige Zuwanderung aber nicht sein, sagt Pesendorfer. Denn auch die Migranten kommen irgendwann ins Pensionsalter. "Langfristig helfen nur mehr Geburten. Also schreiben Sie darüber", schloss Pesendorfer den Medientermin. Erledigt. (Michael Matzenberger, 22.11.2016)