In Graz, wo am einzigen Magna-Standort weltweit ganze Autos zusammengebaut werden, ist derzeit ein Modellwechsel im Gange.

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Apfalter über die Suche nach Arbeitskräften: "Wir haben im Werk schon jetzt 700 Slowenen. Das ist nicht nur ein steirischer Job."

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Magna in Graz steckt derzeit in einer Übergangsphase. Der Mini ist am Auslaufen und der BMW noch nicht angelaufen. Derzeit werden die Leute im großen Stil ausgebildet. Fix ist nun auch, dass man das erste Elektro-Auto von Jaguar Landrover bauen wird. Dennoch glaubt Günther Apfalter, Chef von Magna Europe, dass E-Mobilität noch länger ein Nischendasein fristen wird. Bei der Standortwahl für ein neues Werk ist auch Österreich im Rennen.

STANDARD: Die Autowelt ist komplett im Umbruch. Der größte Schub kommt wohl aus den Themen Antriebe und autonomes Fahren. Wie rüsten Sie sich dafür?

Apfalter: Das ist keine Revolution, sondern eine etwas schnellere Evolution. Wir haben das deutsche Familienunternehmen Getrag gekauft, das auf Getriebefabrikation und innovative Ideen für künftige Antriebe spezialisiert ist.

STANDARD: Verkauft haben Sie die Batterienfertigung. War das ein Fehler? Die Reichweite ist in Sachen E-Mobilität immerhin eine der wichtigsten Fragen.

Apfalter: Nein. Wir sind nicht in der Batteriezelle, sondern im Batteriemanagement. Wir schauen, wer von den Technologieanbietern das Rennen macht. Da wird sich noch einiges bei Infrastruktur und Reichweite bewegen.

STANDARD: Tesla schafft zumindest auf dem Papier eine sehr große Reichweite und verhilft dem Thema zu einem gewissen Hype. Welchen Druck erzeugt das auf die Traditionshersteller?

Apfalter: Tesla ist eine gute Marketingmaschine. Dieses Jahr werden 87 Millionen Autos gekauft, 70.000 sind, wenn alles gutgeht, von Tesla. Wir werden sehen, wie andere in vier, fünf Jahren dastehen.

STANDARD: Sie fürchten nicht, den Trend zu verschlafen?

Apfalter: Überhaupt nicht. Wir sind technologisch bei diesem Thema dabei, vor allem im Engineering. Wir bauen ein Elektroauto für Jaguar Landrover. Einen solchen Auftrag bekommt man nicht von heute auf morgen, sondern arbeitet Jahre davor daran.

STANDARD: Beim neuen 5er-BMW geht man von einer ungefähren Stückzahl von 80.000 aus, die in Graz gebaut werden soll. Wie viele Modelle des Elektro-Jaguar werden Sie ab wann bauen?

Apfalter: Das ist Sache des Kunden. Es wird eine Nische sein.

STANDARD: Tesla hat 400.000 Vorbestellungen für das Modell 3. Viele bezweifeln, dass sie das hinbekommen. Hat Unternehmenschef Elon Musk schon angerufen und um Unterstützung gebeten?

Apfalter: Ich habe bis jetzt keinen Anruf bekommen. Die machen die Dinge selbst, obwohl es eine große Aufgabe ist, von 70.000 Autos auf fast eine halbe Million zu beschleunigen. So etwas hat es in der Geschichte noch nicht gegeben.

STANDARD: Es gibt eine Forschungskooperation von Magna und Apple. Was müssen Sie den anderen Komplettfertigern voraushaben, um ein iCar zu fertigen?

Apfalter: Graz ist nach wie vor das Rückgrat unserer Entwicklungsleistungen, aber wir forschen weltweit. Wir müssen in puncto Innovation, Technik, Geschwindigkeit zum Markt wettbewerbsfähig sein. Es wird spannend, wie sich das entwickeln wird. Ich bin sicher, dass in einigen Jahren nicht nur traditionelle Autohersteller Autos produzieren und nichttraditionelle Autohersteller Mobilitätsdienstleistungen anbieten. Ob das zwei Räder hat oder vier, werden wir sehen.

STANDARD: Die Spatzen pfeifen vom Dach, dass Sie auch die Fertigung eines von Toyota und BMW entwickelten Hybrid-Sportwagens nach Graz holen wollen. Wie lange ist die Vorlaufzeit für solche Verträge?

Apfalter: Im Schnitt vier Jahre.

STANDARD: Nachdem 2017 in Graz die Produktion wieder kräftig hochgefahren wird, hatten Sie hohe Investitionen zu tätigen. Kolportiert werden 500 Millionen.

Apfalter: Weit davon entfernt ist es nicht. Die Grazer Baustelle ist im Finale. Der neue BMW 5er, den wir im Split mit dem Werk Dingolfing erzeugen, läuft schon im März vom Band.

STANDARD: Sie haben mit dem Arbeitsmarktservice eine Ausbildungsoffensive für die Aufnahme von 3.000 Arbeitskräften gestartet. Viele davon sind noch in Ausbildung. Da wird es wohl Anlaufschwierigkeiten geben?

Apfalter: Wir haben ein sehr gutes Ausbildungszentrum. Wir führen sehr viele Bewerbungsgespräche, aber es werden nur wenige den Anforderungen gerecht werden. Wir haben im Werk schon jetzt 700 Slowenen. Das ist nicht nur ein steirischer Job, sondern einer über die Grenzen Österreichs hinausgehender.

STANDARD: Graz steckt in einer Übergangsphase. Der Mini ist am Auslaufen, der BMW noch nicht angelaufen. 2017 soll der Standort wieder boomen. 2015 wurden um 17 Prozent weniger Autos gebaut als 2014. Im ersten Quartal 2016 betrug das Minus 23 Prozent. Wie schaut es im Gesamtjahr aus?

Apfalter: Wir geben das nicht bekannt, sind aber kostenmäßig so aufgestellt, dass es das Unternehmen verträgt.

STANDARD: Gibt es von Konzernchef Don Walker keine auf den Deckel?

Apfalter: Nein. Einmal geht es besser, einmal schlechter, wobei Letzteres nicht daher kommt, weil wir einen schlechten Job machen, sondern weil ein Fahrzeug einen Zyklus von sieben Jahren hat und dann eben in den Stückzahlen zurückgeht, aber dann mit einem anderen Zyklus wieder steigt.

STANDARD: 2017 werden Sie in Graz noch nicht voll ausgelastet sein, Ende 2018 aber die Kapazitätsgrenze erreichen. Dann könnten Sie ein neues Werk bauen. Slowenien soll ein heißer Kandidat sein?

Apfalter: Wir analysieren gerade, wo wir ein eventuell zweites Werk aufsetzen. Österreich, Ungarn, Slowenien sind Kandidaten.

STANDARD: In Österreich würde es wohl nicht Graz werden?

Apfalter: Wir sind ständig im Austausch mit den unterschiedlichsten Regionen. Man muss das Risiko streuen, schon wegen des Fachkräftepotenzials. Wenn man ein Werk im Hochlohnland hat, wäre es angemessen, ein weiteres dort zu haben, wo die Kosten nicht so hoch sind. Ich kann aber die Dinge nicht zu weit führen, sonst erschlagen die zusätzlichen Logistikkosten und die Umweltbeeinträchtigung wieder den Lohnkostenvorteil. Im Laufe des nächsten Jahres werden wir es wissen.

STANDARD: Magna ist in Österreich heute gleich groß wie zu Frank Stronachs Zeiten. Sie haben hierzulande 13 Fabriken mit 14.000 Mitarbeitern. Richtiges Wachstum passiert woanders. Wie wollen Sie den Standort Österreich bei hohen Kosten und dem vielfach beklagten Stillstand attraktiv halten?

Apfalter: Die Reformbedürfnisse sind bekannt. Unser Ziel ist, dass Österreich innerhalb des Magna-Konzerns den Stellenwert beibehält, den es derzeit hat. Österreich wird als Teil Europas gesehen und es gibt keinen Österreich-Bonus.

STANDARD: Gibt es einen Malus?

Apfalter: Es gibt auch keinen Malus. Aber in jeder Investitionsbewertung innerhalb eines globalen Konzerns muss sich Österreich mit anderen Ländern vergleichen lassen. Da ist einiges zu tun. (Regina Bruckner, 23.11.2016)