Der Professor als Kabarettist: Helmut Jungwirth (links) tauscht mit "Science Busters"-Kollege Martin Puntigam Rauchzeichen aus, kritisch beäugt vom Wissenschaftsskeptiker Kaiser Franz Joseph I.

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Helmut Jungwirth initiierte in Graz auch ein Geschmackslabor. Hier verkostet er ein Dessert, das mit Erde hergestellt wurde, die womöglich positive Effekte für die Gesundheit hat.

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Graz/Wien – Dass Helmut Jungwirth seit kurzem eine für Österreich einzigartige Professur innehat, liegt auch an seinem Vater, und das kam so: Vor mehr als zehn Jahren forschte der Grazer Molekularbiologe als Postdoktorand in Tübingen: Es ging um Apoptose bei Hefe, also um den Zelltod. Die Publikation sollte Jungwirths bis heute der am öftesten zitierter Aufsatz werden, doch der junge Forscher scheiterte, seinem Vater anschaulich zu vermitteln, worum es dabei geht.

Frank Madeo, sein damaliger Chef, hatte gute Kontakte zu den Medien, und so nahm sich auch TV-Journalist Joachim Bublath in seiner Sendung Abenteuer Forschung den neuen Erkenntnissen des Tübinger Teams an.

Jungwirth senior sah die Sendung und verstand danach weitaus besser, was sein Sohn erforschte. "Warum hat der Journalist es im Fernsehen geschafft, mir das zu erklären, und warum kannst du das nicht?", fragte der Vater den Sohn, dem die Frage lange zu denken gab – und ihn letztlich zu seiner heutigen Profession und zur einzigartigen Professur führte.

Zuerst aber verschlug es Jungwirth nach seinem Aufenthalt in Tübingen noch an die Med-Uni Wien. Und da der Immernochjungforscher einen kleinen Karrieredurchhänger hatte, begann er sich für die Initiative "Dialog Gentechnik" zu engagieren. Bei diesem Vermittlungsprogramm wird im Vienna Open Lab ein etwas anderer Zugang zur Molekularbiologie und zur in Österreich umstrittenen Gentechnik gegeben.

Forscher, Vermittler und ...

Nach seiner Rückkehr nach Graz bewegte sich Jungwirth weiter als eine Art "Zwischenschaftler": Einerseits machte er mit seiner Forschung bei Frank Madeo weiter, der in der Zwischenzeit Professor für Molekularbiologie an der Uni Graz geworden war, und konnte sich 2009 für das Fach Molekularbiologie habilitieren.

Andererseits blieb er auch als Wissenschaftsvermittler aktiv, indem er die Idee der Mitmachlabore nach Graz brachte, wo er zudem ein Geschmackslabor und ein Freilandlabor im botanischen Garten etablierte. Zudem rief der damalige Rektor Alfred Gutschelhofer die siebente Fakultät ins Leben, ein für Österreichs Hochschulen neuartiges Zentrum für Gesellschaft, Wissen und Kommunikation, dessen geschäftsführende Leitung Jungwirth übertragen wurde.

Von einigen Kollegen wurde all das recht skeptisch beäugt, erinnert sich Jungwirth. Das selten offen formulierte Vorurteil habe in etwa so gelautet: "Anscheinend schafft er es in der Wissenschaft nicht, also wird er Kindergartenpädagoge." Diese Kritik gebe es zwar immer noch, mittlerweile störe ihn das nicht mehr. Denn letztlich hat sich Jungwirths Engagement in Sachen Wissenschaftsvermittlung auch für seine universitäre Karriere ausgezahlt.

Seit 1. Oktober 2016 ist er erster Professor für Wissenschaftskommunikation an einer österreichischen Hochschule. Er kann genau das machen, was er "in den letzten Jahren immer machen wollte". Was aber lehrt und erforscht ein Professor für Wissenschaftskommunikation? Und gibt es ein solches Fach, das man an in Graz auch studieren könnte?

Nein, sagt Jungwirth, will aber nicht ausschließen, dass eine solche Studienrichtung womöglich einmal kommen könnte. "Der Markt dafür ist in Österreich heute sicher noch zu klein." Jungwirth wendet sich mit seinen Veranstaltungen gleich an mehrere Gruppen: Nach wie vor werden die Mitmachlabore von Kindern gestürmt. Aber da gebe es nur wenig Nachhaltigkeit, sagt der 47-Jährige, der selbst Vater eines zweijährigen Sohns ist: "Die Kinder machen den Kurs, aber behalten davon nicht alles."

Sehr viel nachhaltiger sei die Lehrtätigkeit im Rahmen der Fachdidaktik für angehende Lehrerinnen und Lehrer: "Die nehmen in den Lehrveranstaltungen viel Wissen etwa über Experimente im naturwissenschaftlichen Unterricht mit und kommen so viel besser vorbereitet in die Schule", sagt Jungwirth, der sich als Praktiker und sehr viel weniger als Theoretiker oder Erforscher von Kommunikation zwischen Wissenschaft und Gesellschaft sieht.

Schließlich würden auch für die Studierenden der Molekularbiologie Qualifikationen jenseits der Fachkenntnisse immer wichtiger: "Fähigkeiten im Bereich Forschungsmanagement und Vermittlung haben schon einigen Absolventen geholfen, nach dem Studium einen Job bei einer Pharmafirma zu kriegen."

... Nebenerwerbskabarettist

Jungwirth selbst hat seit ziemlich genau einem Jahr selbst noch einen zweiten Job: Er ist gewissermaßen Nebenerwerbskabarettist bei den Science Busters. Dafür gehe einerseits viel Freizeit drauf, sagt er. Aber es gebe auch Synergien mit seiner Lehrtätigkeit: Martin Puntigam und Florian Freistetter, die beiden Kollegen bei den Science Busters, halten Lehrveranstaltungen an der Uni Graz ab: Freistetter über das Wissenschaftsbloggen, Puntigam über Wissenschaft im Radio, und alle drei gemeinsam über Wissenschaftskabarett.

Und wozu die Vermittlungsbemühungen? Gibt es so etwas wie eine Mission? "Es ist sicher völlig zwecklos, etwa einen Gentechnikgegner bekehren zu wollen", sagt Jungwirth. "Mir geht es vielmehr um so etwas wie Aufklärung."

Als Erfolgsbeispiel nennt der Gründer des Geschmackslabors das Thema Glutamat: Davon sei in Parmesan und Tomaten besonders viel enthalten, und dementsprechend nehme man in einem italienischen Restaurant eher mehr Glutamat zu sich als in einem chinesischen. "Wenn das die Leute zum ersten Mal hören, heißt es danach oft: ,Hab ich nicht gewusst, sehe ich jetzt anders.'" (Klaus Taschwer, 23.11.2016)