San Antonio / Wien – Im Juli 2016 präsentierten Archäologen eine Sensation: Sie hatten in der israelischen Hafenstadt Aschkelon erstmals einen großen Friedhof des biblischen Volkes der Philister freigelegt. Noch nie zuvor war man auf eine derart umfangreiche Begräbnisstätte dieses sagenumwobenen Volkes gestoßen. Erste Zwischenergebnisse wurden nun auf einem Kongress der American Schools of Oriental Research in San Antonio, Texas, vorgestellt.

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Ausgrabungen am Philisterfriedhof in Aschkelon, Israel.
Foto: Reuters/Amir Cohen

Vielfältige Bestattungskultur

Wie Adam Aja vom Harvard Semitic Museum berichtete, sei der mehr als 3000 Jahre alte Friedhof zwar erst zu geringen Teilen erschlossen, bisher habe man aber schon die Überreste von mindestens 227 Personen freigelegt. Seiner Schätzung nach dürften dort insgesamt an die 1200 Menschen in einer Zeitspanne von etwa hundert Jahren die letzte Ruhestätte gefunden haben. Die Toten – Männer, Frauen und Kinder – seien überraschenderweise auf unterschiedliche Arten bestattet worden, so Aja. Die meisten Gräber seien flach angelegt und mit Beigaben versehen worden: mit Krügen oder anderen Behältnissen, manchmal auch mit Schmuckstücken wie Bronzeohrringen und Armbändern, Perlen oder kunstvoll gravierten Steinen.

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Einige der gefundenen Grabbeigaben.
Foto: Reuters/Amir Cohen

Gezeichnete Menschen

Aber auch einige versiegelte Urnen mit Ascheresten von kremierten Personen sowie steinerne Grabkammern, die gleich mehrere Tote beherbergten, wurden entdeckt. In der größten dieser Kammern fanden sich die Skelette von 23 Personen. Die Untersuchungen seien zwar noch lange nicht abgeschlossen, doch es sei jetzt schon klar, dass die bei Aschkelon begrabenen Philister ein schweres Leben hatten, sagte die Bioarchäologin Sherry Fox von der Eastern Michigan University. Viele Individuen wiesen Anzeichen von Wachstumsstörungen, Mangelernährung, Zahnschäden und anderen physischen Leiden auf.

Bisher wurden die Überreste von mehr als 200 Toten freigelegt.
Foto: Tsafrir Abayov/Leon Levy Expedition

Rätselhafte Herkunft

Hinweise auf Kampfverletzungen wurden an den Toten von Aschkelon überraschenderweise nicht entdeckt, obwohl die Philister den Überlieferungen zufolge gefürchtete Krieger waren. Trotz dieser neuen Erkenntnisse sei das Rätsel um die geografische Herkunft der Philister noch immer nicht gelüftet, sagte Aja. Auch sei weiterhin unklar, wann genau das Volk den Nahen Osten erreichte und wie sich das Leben in der Region kulturell auswirkte.

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Weitere 1000 Menschen könnten auf dem Friedhof bestattet worden sein.
Foto: Reuters/Amir Cohen

Biblische Quellen

Der Fund des Friedhofs ist auch deshalb so bedeutsam, weil die archäologische Datenlage zu den Philistern bislang äußerst dürftig war. So diente vor allem das Alte Testament als Informationsquelle über diese direkten Nachbarn und Feinde der im Landesinneren lebenden Israeliten, aber auch der Kanaaniter an der Küste.

So wird etwa im Buch Samuel beschrieben, wie die Philister um 1050 vor unserer Zeitrechnung die legendäre Bundeslade eroberten, sie nach einer Unglückssträhne aber wieder an die Israeliten zurückgaben. Nachhaltige Berühmtheit erlangte der Showdown zwischen dem riesenhaften Philisterkrieger Goliath und dem jungen (späteren König) David.

Genetische Antworten

Verlässliche Anhaltspunkte über die Herkunft und die Lebensweise der Philister liefern die biblischen Texte freilich nicht. Als gesichert gilt bisher nur, dass sie Einwanderer im semitischen Siedlungsgebiet waren, wo sie von 1200 bis etwa 600 vor unserer Zeitrechnung lebten, ehe sie als eigenständige Kultur verschwanden. Die Archäologen hoffen, dass genetische Analysen mehr Licht ins Dunkel um dieses rätselhafte Volk bringen können. Aja: "Unsere Arbeit hat erst begonnen." (David Rennert, 23. 11. 2016)