Türkische Spezialeinheiten verwenden Scharfschützengewehre aus österreichischer Produktion.

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Wien – Türkische Sonderkommandos setzen in den Kurdengebieten offenbar Scharfschützengewehre österreichischer Herkunft gegen Zivilisten ein. Dem grünen Abgeordneten Peter Pilz zufolge verwenden Sniper der Polizei Steyr-Gewehre.

Das "Dezernat für Sondereinsätze der türkischen Polizei", die Anti-Terror-Spezialeinheit der türkischen Polizei, erwarb 2011 auf Umwegen mehr als 600 Stück des Scharfschützengewehrs SSG 08. Die Polis Özel Harekât (PÖH) ist in den Kurdengebieten im Einsatz, Bilder zeigen Mitglieder der Truppe mit dem SSG 08.

"Sportwaffe"

Das vom österreichischen Hersteller Steyr Mannlicher produzierte Gewehr wird als "Sportwaffe" vertrieben. Aus diesem Grund fällt die Waffe, die vor allem von Scharfschützen bei Militär und Polizei benutzt wird, nicht unter eine verschärfte Genehmigungspflicht nach dem Kriegsmaterialgesetz. Im Gegensatz zu Waffen, die als Kriegsmaterial klassifiziert werden, wurde für das SSG 08 keine Ausfuhrgenehmigung durch Innen-, Außen- und Verteidigungsministerium benötigt, sondern lediglich durch das Wirtschaftsministerium. Dazu war weder ein Endverbrauchszertifikat, noch eine Überprüfung der Situation der Menschenrechte im Zielland nötig.

Seit 2012 ist die Ausfuhr von Verteidigungsgütern wie dem SSG 08 auch innerhalb der EU genehmigungspflichtig, die Regelung der Materie im Außenwirtschaftsgesetz setzt dabei die Vorgaben der Europäischen Union um.

Im Herbst 2011 waren 600 Stück der Gewehre aus Österreich an die Firma Kilic Feintechnik nach Deutschland geliefert worden. Diese Firma ist auf die Montage von Zielfernrohren spezialisiert. Kilic hatte die Ausfuhr der Gewehre an die türkische Polizei beantragt, was von den deutschen Behörden genehmigt wurde, wie die Beantwortungen parlamentarischer Anfragen im deutschen Bundestag belegen.

Schüsse "auf alles, was sich bewegt"

Pilz hatte am vergangenen Wochenende gemeinsam mit Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und FPÖ an der Parlamentarischen Versammlung der Nato in Istanbul teilgenommen und bei der Gelegenheit Vertreter der prokurdischen Partei HDP und der Zeitung "Cumhuriyet" besucht. HDP-Politiker hatten dabei berichtet, dass sie bei Rettungseinsätzen nach Artillerieangriffen auf die kurdischen Städte Diyarbakır und Cizre aus großer Distanz gezielt beschossen wurden. Neben ihm sei einem Mann direkt in den Kopf geschossen worden, erzählte einer der türkischen Oppositionellen dem grünen Abgeordneten.

Das Nachrichtenmagazin "Spiegel" berichtete Anfang September 2015 von Sniper-Anschlägen auf Zivilisten in Cizre in der Ostttürkei. "Die Armee schießt auf jeden, der sich auf die Straße wagt", wurde ein kurdischer Aktivist zitiert. Ein anderer berichtete von Scharfschützen, die "auf alles feuern, was sich bewegt, auch auf Frauen und Kinder".

Sanktionen

Bereits im Sommer hatte Pilz ein Waffenembargo gegen die Türkei gefordert. Bei dem Besuch der österreichischen Abgeordneten in der Türkei am vergangenen Wochenende waren die Vertreter aller vier Parteien geschlossen aufgetreten. Dabei thematisierten sie auch in Gesprächen mit Parlamentariern anderer Länder mögliche wirtschaftliche Sanktionen gegen die Regierung in Ankara. (Michael Vosatka, 23.11.2016)