Im sogenannten Streitgespräch zwischen Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war der Moderator am Mittwochabend der Einzige, der die Konfrontation suchte. Kern und Strache herzten und scherzten sich durch den Abend.

Freilich: Kern betonte, dass SPÖ und FPÖ inhaltlich "mittlere Welten" trennen würden, was im Gespräch vor allem beim Thema EU deutlich wurde. Das neue freundschaftliche "Framing" soll wohl zeigen, dass sich Kern auf Inhalte konzentrieren und keine Kampfdebatte mit Strache führen will. Keine unkluge Taktik, man kann schließlich auch Boxkämpfe dadurch gewinnen, dass man den Gegner gezielt kurz umarmt und dann zum richtigen Zeitpunkt ausknockt. Aber: Wenn man die Kämpfe, die sich die SPÖ aktuell mit ihrem Koalitionspartner ÖVP liefert, mit diesem neuen FPÖ-Kuschelkurs vergleicht, mutet das schon reichlich seltsam an. Hart ist jedenfalls anders.

Ein Vertreter der harten Schule ist der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Häupl: Ihm würde es nicht im Traum einfallen, ein derartiges Tête-à-Tête mit Strache zu absolvieren, er wäre auch nicht mit dem FPÖ-Chef auf ein Bier gegangen, wie es Kern und Strache vereinbart haben, sondern hätte seinen Spritzwein tunlichst mit seinen Genossen genossen.

Goodwill-Strache?

Während die SPÖ weiter an einem Kriterienkatalog zur Orientierung arbeitet, unter welchen Bedingungen sie mit anderen Parteien koalieren möchte, sendet der Kanzler das Signal aus, dass man zwar inhaltlich weit auseinanderliege, aber dem FPÖ-Chef auch daran gelegen sei, "das Land voranzubringen".

Das war wohl der entscheidende Satz des Abends. Denn diesen guten Willen Straches sehen in der SPÖ sicher nicht alle. Dieser Goodwill-Stempel unterstützt nun jene Teile der SPÖ, die meinen, mit den Blauen könne man arbeiten. Er gibt etwa im Streit innerhalb der Wiener SPÖ jenen recht, die sich für eine Annäherung an die FPÖ aussprechen. Die Fronten zwischen Rot und Blau, sie werden damit eher enthärtet als verhärtet.

Die wohl entscheidende Frage des Abends, die Kern nicht beantwortet hat, war die, ob Strache ein Nationalist sei. Während die ganze Welt auf Österreich schaut, ob eine klar nationalistische Partei wie die FPÖ die Bundespräsidentenwahl gewinnt, drückt der Bundeskanzler diese Frage einfach weg – mit einem Seitenhieb auf nicht näher definierte "Kommentatoren", deren Meinung ihn nicht interessiere. Eine Haltung, die er mit Strache gemeinsam hat.

Die Frage nach der Abgrenzung zu nationalistischen Parteien ist jedoch eine wesentliche. Denn gerade daran wird Kern nicht nur innerhalb seiner Partei gemessen werden, sie wird auch sehr relevant bei der Formulierung von Koalitionsbedingungen sein.

Ist die sogenannte Vranitzky-Doktrin, die Ausgrenzungspolitik der SPÖ gegenüber der FPÖ, nun endgültig Geschichte? Sie war es vermutlich – spätestens mit Rot-Blau im Burgenland – ohnehin schon längst. Doch bei aller Taktik sollte auf Prinzipien nicht vergessen werden – und bei Nationalismus im rechtspopulistischen Sinn der FPÖ sollte sich der Spaß aufhören. (Rainer Schüller, 24.11.2016)