Kehrt der Klerikalfaschismus österreichischer Prägung und unseligen Angedenkens nun als Faschoklerikalismus in die politische Auseinandersetzung zurück? Noch hat Strache gezögert, seine zweite Wahl für die Hofburg als wiederauferstandenen Gottessohn anzupreisen, aber der Wahlkampf dauert ja noch eine Woche, und nach all den Unappetitlichkeiten, mit denen sein Stratege diesen Wahlkampf mehr im Stil eines Joseph Goebbels als in dem demokratischer Normalität angelegt hat, wäre das eine Kleinigkeit. "Deus vult" war schon im Mittelalter der Aufruf zu und die religiöse Legitimation von schweren Verbrechen, und wenn Strache als selbsternannter Trachten-Savonarola zur Wahl Hofers, diesmal als Christenpflicht, aufruft, weil Gott es will, dann untermauert er nur seine Bürgerkriegssehnsucht mit Kreuzzugsfantasien.

Seit gut einem halben Jahrhundert gilt Religion in Wahlkämpfen nicht mehr als zulässige Keule, und das war ein zivilisatorischer Fortschritt. Der FPÖ blieb es vorbehalten, daran zu rütteln, und ermuntert durch das Auftreten der Vorsehung in Gestalt des Verfassungsgerichtshofs in der ersten Stichwahl hält sie es offenbar für notwendig, einen religiösen Zahn zuzulegen, um die Scheinheiligkeit ihrer Wahlkampfmethoden zu kaschieren. Gott ist für sie dabei nur ein Knopf unter vielen, auf den zu drücken ihr zulässig erscheint, er kann ähnliche Leistung bringen wie der Verleumdungsknopf, der auf Druck den Gegenkandidaten als bösen Naziabkömmling vorführen soll – was bei der Geschichte der FPÖ und ihren sonstigen Sympathien für alles, was rechtsextrem ist, doch etwas inkonsequent erscheint.

Aber Gotteskämpfern ist ja alles erlaubt, vor allem, wenn sie es verstehen, jede Schweinerei, die sie – noch – nicht selber zu äußern wagen, an Twitter- und Facebook-Kunden zu delegieren, um sich vom Einzelfall salbungsvoll zu distanzieren. Sie stacheln zu der Wut an, die heute dem Bürger das selbstständige Denken austreiben und die Hetze etwa gegen Journalistinnen, die in Interviews auf Antworten bestehen, quasi zur religiösen Pflicht machen soll. Ist ja wahr: Demokratie hin, Demokratie her – Gottgesandten stellt man keine kritischen Fragen, man hängt gebannt an ihren Lippen, ehrfurchtsvolles Übergehen jedes Abweichens vom Thema sei selbstverständlich.

Und man macht es auch nicht um Gotteslohn. Nimmt man all die Zumutungen in der geforderten Demut hin, darf sich die Herde der gläubigen Wählerinnen und Wähler an der Vorstellung einer österreichischen Hofburg ergötzen, in der deutschnationale Schmiss- und Farbenträger, die bis gestern mit Religion nur wenig auf dem Deckel hatten, dem gottgesandten Staatsoberhaupt zuarbeiten. Das dürfte an Straches Vorstellung von einem himmlischen Jerusalem weitgehend herankommen.

Seit der Bundeskanzler und Vorsitzende der SPÖ beschwört, dass es auch Herrn Strache darum gehe, das Land voranzubringen, ohne dafür als Beispiel Kärnten oder irgendeinen anderen Beweis anzuführen, ist das Land um einen Versuch politischer Dämonenaustreibung reicher. Sollte der Exorzismus gelingen, ist das Gottesreich nahe. (Günter Traxler, 24.11.2016)