"Macht braucht Kontrolle" lautete ironischerweise der Slogan auf Norbert Hofers Wahlplakaten für die dritte Runde der Präsidentschaftswahl. Für den vierten Wahlgang ist das Motto nun "So wahr mir Gott helfe", womit die Betonung der Gewaltentrennung auch gleich wieder entsorgt wurde. Und tatsächlich ist in Zeiten, in denen eine (zumindest relative) Mehrheit der FPÖ bei den nächsten Nationalratswahlen und damit die Regierungsbeteiligung einer rechtspopulistischen Partei sehr wahrscheinlich erscheint, eine starke Kontrolle der Regierung durch einen unabhängigen Bundespräsidenten essenziell.

Zu dessen wichtigsten Kompetenzen gehören nämlich die Ernennung und Abberufung des Bundeskanzlers sowie – auf dessen Antrag – die Auflösung des Nationalrats. Damit ist der Bundespräsident eine wichtige Instanz zur Kontrolle der Regierung und des Parlaments. Er kann etwa eine Regierung abberufen, die unter Ausnützung einer parlamentarischen Mehrheit versucht, grundlegende Spielregeln der Demokratie zu brechen.

Am Gängelband

Diese Kontrollfunktion kann nur jemand überzeugend ausüben, der nicht wie Norbert Hofer am Gängelband der FPÖ hängt und im Unterschied zu ihm klare Prinzipien vertritt.

Auch wenn Hofer im Wahlkampf mittlerweile immer mehr den Moderaten mimt, hat er mit der Anfechtung eines legitimen Wahlergebnisses bereits gezeigt, wie wenig er sich um demokratische Entscheidungen schert, wenn sie ihm ungelegen sind. Gewisse Positionen wie die Drohung, eine unliebsame Regierung abzuberufen oder das Befürworten eines EU-Austritts-Referendums hat er seit dem ersten Wahlgang geschickt abgeschwächt, aber will man es als konservativer Wähler darauf ankommen lassen, was Hofer im Ernstfall wirklich macht?

Wohin es im Extremfall nämlich führen kann, wenn rechtspopulistische Parteien an die Macht kommen und der Präsident die ihm zugedachte Kontrollfunktion vernachlässigt, weil er der Regierungspartei entstammt, zeigt der Blick nach Osteuropa: Der ungarische Präsident János Áder hat seine politischen Wurzeln in Viktor Orbans Fidesz-Partei, Polens Präsident Andrzej Duda kandidierte für Jarosław Kaczyńskis Partei Recht und Gerechtigkeit.

In beiden Ländern wurden demokratische Grundprinzipien verletzt, etwa durch Beschneidung der Medienfreiheit oder der Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts, ohne dass der Präsident dies verhindert hätte. Inwiefern die Strache-FPÖ, die weit rechts der FPÖ der schwarz-blauen Koalition unter Schüssel steht, ein ähnliches Verständnis von Demokratie und Rechtsstaat wie die rechtspopulistischen Parteien Ungarns und Polens hat, ist bisher unklar. Es besteht jedoch zumindest ein gewisses Risiko, dass Strache als Kanzler ohne entsprechende Kontrolle in eine ähnliche Richtung steuern könnte.

Muss man aber trotz eventueller Risiken, die mit Norbert Hofer im Amt des Präsidenten verbunden sein könnten, diesen wählen, wenn man eine FPÖ-Regierungsbeteiligung möchte? Schließlich gibt es die Aussage Alexander Van der Bellens, keine von der FPÖ geführte Regierung anzugeloben. Aus der Sicht des bürgerlichen Wählers ist jedoch das Gegenteil opportun, nämlich die Wahl Alexander Van der Bellens, denn seine Position würde in Wahrheit die ÖVP in einer potenziellen schwarz-blauen Koalition stärken: Obwohl die Freiheitliche Partei bei der nächsten Nationalratswahl voraussichtlich die stimmenstärkste Partei werden wird, während die ÖVP nur an zweiter oder dritter Stelle landen wird, könnte Letztere mit Van der Bellen als Präsidenten den Kanzler stellen.

Schwarz-Blau reloaded

Eine ÖVP-geführte Koalition mit der FPÖ könnte Alexander Van der Bellen als Präsident mangels realistischer Alternativen kaum ablehnen, denn eine ÖVP-SPÖ-Koalition hätte derzeit bei Neuwahlen kaum noch Aussicht auf eine Mehrheit im österreichischen Parlament. Daher ist Van der Bellen für ÖVP-Sympathisanten gleich aus zwei Gründen die bessere Wahl: Es ist gesichert, dass es mit ihm keine Experimente mit demokratischen Grundprinzipien gibt; gleichzeitig würde die ÖVP durch einen FPÖ-kritischen Bundespräsidenten strategisch gestärkt. (Harald Fadinger, 24.11.2016)