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Protestaktion von Greenpeace nahe dem Flughafen in Zürich gegen Beznau I, das älteste Atomkraftwerk der Welt.

Foto: REUTERS/Arnd Wiegmann
Grafik: DER STANDARD

Wann sollen die Schweizer Atomkraftwerke vom Netz gehen? Darüber stimmt die Bevölkerung am Sonntag ab. Im Grundsatz ist das Ende der Kernkraft bereits beschlossene Sache – die Atomgegner wollen es aber rascher herbeiführen. Laut jüngsten Umfragen liegen beide Seiten ungefähr gleichauf.

Die Meldung von einem neuen Erdbeben in Japan sorgte diese Woche auch in der Schweiz für Aufsehen. "Das ist eine Ermahnung, die Atomkatastrophe von 2011 nicht zu vergessen. Und es zeigt einmal mehr, dass es keine absolute Sicherheit geben kann", sagte die Vorsitzende der Schweizer Grünen, Regula Rytz, der Zeitung Blick.

Keine konkreten Zeitpläne

Die Regierung hat infolge der Fukushima-Katastrophe beschlossen, mittelfristig aus der Atomkraft auszusteigen. Konkrete Zeitpläne für die fünf Schweizer Atommeiler hat sie aber nicht vorgelegt. Solange die Werke sicher seien, dürften sie am Netz bleiben, betont Energieministerin Doris Leuthard. "Die Initiative führt zu einer übereilten Abschaltung; die Energiestrategie des Bundesrates bringt eine bessere Lösung", sagte Leuthard in der offiziellen Stellungnahme der Regierung. "Wir wollen einen geordneten Ausstieg aus der Atomkraft, um genügend Zeit zu haben, um den Umstieg auf erneuerbare Energien zu fördern."

Die fünf AKWs liefern fast 35 Prozent des Schweizer Stroms; dieser könne nicht so rasch ersetzt werden. Zudem müsse für die Energiewende und eine dezentralisierte Stromproduktion auch das Stromnetz umgerüstet werden.

Probleme bei zwei AKWs

Der Atomausstieg ist freilich bereits im Gang: Das Kernkraftwerk Mühleberg bei Bern wird 2019 abgeschaltet, wie die Betreiberfirma BKW beschlossen hat. Angesichts der tiefen Strompreise in Europa lohne sich eine aufwendige Nachrüstung des 1972 erbauten Werks nicht mehr. Und zwei weitere AKWs stehen derzeit außerplanmäßig still: das Werk Leibstadt am Rhein wegen Problemen mit den Brennelementen sowie Beznau I, wo bei einer Inspektion Unregelmäßigkeiten im Reaktordruckbehälter entdeckt wurden.

Zwar verfügt die Schweiz auch ohne die Energie aus Leibstadt und Beznau I dank Importen aus dem Ausland über genügend Strom – das Argument eines Versorgungsengpasses sticht somit nicht –, dennoch wollen die Betreiber Beznau I, das älteste AKW der Welt mit Baujahr 1969, wieder anfahren. Und auch Leibstadt, errichtet 1984, soll im Februar wieder ans Netz gehen.

Gesuche für neue AKWs zurückgezogen

Doch nicht einmal die AKW-Betreiber selbst glauben mittelfristig noch an eine Zukunft der Kernkraft in der Schweiz. Sie haben im Oktober gemeinsam bekanntgegeben, dass sie ihre Gesuche für neue Atomkraftwerke zurückziehen. Die bestehenden Werke aber wollen sie so lange wie möglich weiterlaufen lassen.

Die Atomkraftgegner aber – Grüne, Sozialdemokraten, Umweltschützer und Gewerkschaften – wollen rascher aussteigen. Ihr Ziel ist, in der Bundesverfassung festschreiben zu lassen, dass AKWs nach 45 Jahren Betriebszeit stillgelegt werden. Das würde bei einem Ja am Sonntag bereits 2017 Beznau I, Beznau II und Mühleberg betreffen. Auch sollen keine neuen Kernkraftwerke mehr gebaut werden dürfen.

Verweis auf Deutschland

Nur ein konkretes Abschaltdatum sorge für den nötigen Druck beim Umbau der Energieversorgung, argumentieren sie. Statt auf die "alte" Atomkraft zu setzen, müsse man stärker in erneuerbare Energien investieren. "Der Ausstiegsbeschluss hat in Deutschland bis heute 300.000 Arbeitsplätze geschaffen. Die deutsche Regierung rechnet damit, dass bis 2020 weitere 200.000 dazu kommen", sagt Beat Jans vom Anti-Atom-Initiativkomitee. Ähnliches sei auch für die Schweiz zu erwarten: Von einem raschen Atomausstieg würde laut Jans die ganze Wirtschaft profitieren. (Klaus Bonanomi aus Bern, 25.11.2016)