Hier fühlen sich Mölltaler wohl: Die Ortsbrust des BBT in Fahrtrichtung Innsbruck. Die Mineure sprengen unablässig die Tunnelröhren in den Berg. Der Knochenjob ist eine Kärntner Domäne.

Foto: Günter Wett

Innsbruck – "Das kannst anzünden, und es geht trotzdem nicht in die Luft." Daniel Reischl von der örtlichen Bauaufsicht erklärt, wie sicher der Sprengstoff ist, den der Mineur vor ihm gerade bündelweise wie Karotten am Bauernmarkt an den Zündschnüren aus einer Kiste zieht. Der 28-jährige Bauingenieur überwacht das aktuelle Baulos des Brennerbasistunnels (BBT).

"Mein Traumjob", sagt er und steht dabei knöcheltief im schlammigen Wasser des schummrig ausgeleuchteten Stollens, 300 Meter unter dem Dorf Aldrans bei Innsbruck. Der beißende Ammoniakgestank zeugt noch von der letzten Sprengung. Reischl riecht das gar nicht mehr. Der gebürtige St. Johanner, der mitsamt seinem Helm locker zwei Meter misst, wollte nach dem Studium in Innsbruck Tirol nicht verlassen, aber trotzdem Erfahrung auf einer Großbaustelle sammeln. Im Loch unterm Brenner lebt er nun seinen Traum.

Steigung fällt weg

Der BBT ist das größte Infrastrukturprojekt der EU. 2026 soll die neue, rund zehn Milliarden Euro teure Nord-Süd-Verbindung für den Eisenbahnverkehr eröffnet werden. Dann wird man auf der Strecke München-Verona gut eine Stunde Fahrzeit einsparen. Vor allem aber fällt die Steigung weg, die Züge auf diesem Weg bisher überwinden mussten.

Denn der Basistunnel, der 55 oder 64 Kilometer misst – je nachdem, ob man die Umfahrung Innsbruck miteinberechnet -, ist flach. Das erlaubt höhere Tonnagen und Geschwindigkeiten bis zu 160 km/h bei Güterzügen, die künftig 80 Prozent des Verkehrs im BBT ausmachen sollen.

Nächste Sprengung

Derzeit sind 60 von insgesamt 230 Tunnelkilometern des BBT-Labyrinths, das sich zwischen Innsbruck und Franzensfeste in Südtirol erstreckt, in den Fels getrieben. An der Ortsbrust, wo die Bergleute den Tunnel ins Gestein treiben, bereitet ein Team Kärntner Mineure die nächste Sprengung vor. "Die meisten Tunnelbauer kommen aus dem Mölltal", erklärt Reischl. Warum das so ist, wisse er auch nicht. Das hänge wohl mit der dortigen Bergmannstradition zusammen.

Die erfahrenen Arbeiter bohren unter ohrenbetäubendem Lärm 150 Löcher in den Fels, die sie mit 350 Kilo Sprengstoff füllen. Nach "24 ordentlichen Tuschern" wird der BBT gut anderthalb Meter länger sein, und die Arbeit der Mineure beginnt von vorne. 24 Stunden, sieben Tage die Woche wird hier geschuftet. Ein harter, aber lukrativer Job.

"Ein Reinfall"

Für den Verkehrsexperten Sebastian Kummer von der WU Wien ist das Megaprojekt BBT dennoch ein Reinfall: "Man hätte ihn nicht bauen sollen." Er spricht von "bewusster Täuschung der Öffentlichkeit", weil sowohl die Verkehrsprognosen als auch die Kostenschätzungen danebengelegen hätten: "2005 sollte der Tunnel noch vier Milliarden kosten."

Doch es gibt nun ohnehin kein Zurück mehr. Dafür nutzen Wipptaler Touristiker die Megabaustelle ab 2017 als Touristenattraktion. Wer das Premiumpaket bucht, darf bis vor zur Ortsbrust, wo die Kärntner Mineure malochen. (Steffen Arora, 25.11.2016)