Ljubljana – Slowenien und Kroatien bleiben bei offenen Fragen nach wie vor weit auseinander, wie der Antrittsbesuch des neuen kroatischen Außenministers Davor Ivo Stier am Freitag in Ljubljana bestätigte. Die wichtigste offene Frage, der seit 25 Jahren ungelöste Grenzstreit, "bleibt weiterhin offen", sagte der slowenische Chefdiplomat Karl Erjavec bei einer gemeinsamen Pressekonferenz.

Das Treffen der Außenminister bekräftigte die bekannten Positionen: Slowenien beharrt auf einer Lösung durch das internationale Schiedsgericht, Kroatien pocht hingegen auf eine bilaterale Lösung. "Das Schiedsverfahren ist passe", wiederholte Stier die Haltung Zagrebs und betonte, dass Kroatien bereit sei, diese Frage bilateral zu lösen. Im Vorjahr war Kroatien aus dem Verfahren ausgestiegen, nachdem der slowenische Schiedsrichter im fünfköpfigen Tribunal, Jernej Sekolec, bei unerlaubten Abmachungen mit der slowenischen Seite ertappt wurde. Laut Zagreb wurde das Verfahren damit irreparabel kompromittiert.

Das Schiedsgericht führt das Verfahren mit neuer Besetzung, aber ohne kroatische Teilnahme fort, ein Schiedsspruch steht noch aus. "Kroatien wird als ein Land, das sich an internationale Abkommen hält, früher oder später diesen Schiedsspruch respektieren müssen", sagte Erjavec. Slowenien lehnt eine bilaterale Lösung für den Grenzverlauf ab – mit einem guten Grund: in der Vergangenheit sind bilaterale Abkommen über die Grenze bereits gescheitert.

Unmittelbar vor dem Besuch des neuen kroatischen Chefdiplomaten kam die Abhöraffäre, die im Sommer 2015 von kroatischen Medien aufgedeckt wurde und für Zagreb einen willkommenen Ausweg aus dem unbeliebten Schiedsverfahren bedeutet hat, in Slowenien erneut ins Rampenlicht. Der slowenische Verfassungsrichter Mitja Deisinger behauptet, dass die USA hinter der Affäre stehen. Stier wollte das nicht kommentieren.

Laut slowenischem Höchstrichter, der sich auf Informationen seines kroatischen Amtskollegen bezieht, haben die USA das umstrittene Telefonat, mit dem der slowenische Schiedsrichter bloßgestellt wurde, an die kroatische Seite durchsickern lassen. Damit sollte Slowenien eine Lektion wegen seiner Beziehungen zu Russland erteilt werden, sagte Deisinger in einem Interview für die rechtsgerichtete Wochenzeitung "Demokracija".

Der ungelöste Grenzverlauf hat Auswirkungen im täglichen Leben. So protestiert Zagreb regelmäßig gegen den slowenischen Grenzzaun, da er in einigen Teilen auf kroatischem Gebiet stehen soll. Den jüngsten Protest wegen des Zauns am Grenzfluss Cabranka, weswegen vergangene Woche eine neue diplomatische Note nach Ljubljana kam, versuchte Stier gegenüber seinem Amtskollegen mit einer Landkarte des slowenischen Vermessungsamtes zu argumentieren. Vergeblich: "Die Grenze ist noch nicht festgelegt", kontrierte Erjavec und betonte, dass sie durch das Schiedsgericht und nicht von Landkarten bestimmt werde.

In einigen Fragen kamen sich die Minister dennoch näher. So soll eine ständige slowenisch-kroatische Kommission wieder ins Leben gerufen werden, um die Probleme der Grenzbewohner zu lösen. Der Grenzzaun stört nämlich an manchen Orten den vereinbarten kleinen Grenzverkehr.

Offene Fragen, die noch in die Zeit des Zerfalls des früheren gemeinsamen Staates Jugoslawien zurückreichen, stellen laut Erjavec "eine Hürde" für den Aufbau der bilateralen Beziehungen, aber auch für die Grenzbewohner und für grenzübergreifende Infrastrukturprojekte dar. Dabei ist die Grenze längst nicht die einzige ungelöste Frage: der Streit um die Zagreb-Tochter der einstigen staatlichen slowenischen Ljubljanska Banka (LB) ist ein weiteres belastendes Thema. Die Liste könnte noch länger werden, wenn Kroatien die beabsichtigte Ausrufung einer ausschließlichen Wirtschaftszone in der Adria umsetzt.

Gleicher Ansicht zeigten sich die Minister auch in Bezug auf die Drohung aus der Türkei in Zusammenhang mit dem Flüchtlingsabkommen. Kroatien und Slowenien stünden auf dem Standpunkt, dass ein Kommunikationskanal zur Türkei geöffnet bleiben müsse, sagte Stier. "Es ist weder im Interesse der EU noch im Interesse Kroatiens oder Sloweniens, dass die Verhandlungen mit der Türkei suspendiert werden. Die EU muss eine prinzipielle und balancierte Haltung gegenüber Ankara haben", betonte er weiter. (APA, 25.11.2016)