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Die Schweizer gingen am Sonntag zur Urne und stimmten gegen einen Anti-Kernenergie-Plan von den Grünen.

Foto: REUTERS/Ruben Sprich

Die Schweizer lehnen einen Ausstieg aus der Atomkraft mit festen Terminen ab. Am Sonntag stimmten laut Hochrechnungen der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft 55 Prozent der Bürger gegen einen Antikernenergieplan der Grünen. "Leider waren wir nicht gut genug", sagte Jürg Buri von der Schweizerischen Energiestiftung, der sich auch für den klaren Fahrplan starkmachte. Somit können alle fünf Atomkraftwerke der Schweiz weiterhin Strom produzieren. Darunter auch das älteste AKW der Welt, der Problemmeiler Beznau I, der nur wenige Kilometer vom deutschen Bundesland Baden-Württemberg entfernt steht. Somit bleibt auch die Energiestrategie der Schweizer Regierung gültig. Darin ist zwar prinzipiell ein Ausstieg aus der Kernenergie vorgesehen: Die bestehenden Atomanlagen sollen nach ihrer Abschaltung nicht mehr durch neue Meiler ersetzt werden. Die Regierung legt jedoch keine Termine für das Ende der AKWs fest.

Die Grünen wollten die Laufzeit der Kraftwerke eindeutig begrenzen: Beznau I und Beznau II sowie Mühleberg sollten im 2017 abgeschaltet werden, Gösgen 2024 und Leibstadt 2029. Doch besteht noch eine Hoffnung für die Befürworter des terminlich geregelten Ausstiegs: Laut der Zürcher Sonntags Zeitung könnte nach der Volksabstimmung das Parlament der Eidgenossen zum Zuge kommen: Die Volksvertreter könnten ein Plan mit festen Ausstiegszeitrahmen für die fünf Meiler verabschieden.

Initiative seit Fukushima

Die Grünen hatten die Volksinitiative für einen geordneten Ausstieg aus der Atomenergie nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima in Japan im Jahr 2011 gestartet. Die Sozialdemokraten unterstützten den Plan. Beide argumentierten vor allem mit den Gefahren der Kernkraft. "Die Erzeugung von Atomstrom gleicht sowohl gesundheitlich als auch wirtschaftlich einem russischen Roulette", hieß es bei den Grünen. Das älteste AKW der Welt, Beznau_I, kämpfe mit gravierenden Sicherheitsproblemen, die sich mit keinen Nachrüstungen beheben ließen. "Auch Mühleberg und Beznau II gehören zu den ältesten AKWs der Welt. Zentrale Bauteile wie der Reaktor lassen sich nicht erneuern und altern vor sich hin. Damit ist das Risiko massiv erhöht, dass auch hierzulande ein Unglück geschieht." Zudem sei eine gefahrlose Entsorgung des radioaktiven Atomabfalls nicht gewährleistet.

Der Ausstieg aus der Nuklearenergie sollte mit einem entschlossenen Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung aus Wasserkraft, Solar- und Windkraftwerken einhergehen. "Zwei Drittel der Stromproduktion sind bereits erneuerbar", betonten die Grünen.

Angst vor weniger Strom

Regierung und Parlament wollten jedoch von der "übereilten Abschaltung" der AKWs nichts wissen. "Die Annahme der Initiative hätte zur Folge, dass in der Schweiz kurzfristig deutlich weniger Strom produziert würde", argumentierte Energieministerin Doris Leuthard von der Christlichdemokratischen Volkspartei. Der Verlust könnte nicht rasch genug mit Strom aus erneuerbaren Energien kompensiert werden. Die Schweiz wäre dann gezwungen, mehr Strom aus dem Ausland zu importieren – hauptsächlich aus Deutschland und Frankreich. Dieser "Dreckstrom" stamme aber auch aus Kohle- und Kernkraftwerken.

Die Chefs der Atomindustrie wiederum sagten voraus, dass der verbindliche Ausstieg enorme Kosten verursachen würde. Von mehr als sieben Milliarden Euro Verlusten war die Rede. Die Firma Axpo, die das Kraftwerk Beznau betreibt, hatte gedroht, sich im Falle des festgelegten Ausstiegs das verlorene Geld vom Staat zurückzuholen. Also vom Steuerzahler. (Jan Dirk Herbermann, 27.11.2016)