Die Unglücksstelle aus der Luft

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Die Avro RJ mit der Kennung CP-2933 auf einem Archivbild.

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Fans versammelten sich am frühen Dienstagmorgen (Ortszeit) vor dem 2009 eingeweihten Stadion Arena Condá.

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Chapecoense-Spieler nach dem Halbfinale der Copa Sudamericana in San Lorenzo am 23. November.

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Alan Ruschel ist unter den Überlebenden.

Auf dem internationalen Flughafen Guarulhos in São Paulo versammeln sich die Menschen vor den Bildschirmen. Ihnen ist das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. In den Nachrichtensendungen gibt es nur ein Thema: das tragische Flugzeugunglück des brasilianischen Erstliga-Vereins Chapecoense in Kolumbien in der Nacht. 77 Menschen waren an Bord, nur sechs überlebten. 22.15 Uhr lokaler Zeit verschwand die Maschine der bolivianischen Fluggesellschaft Lamia vom Radar. Kurze Zeit später zerschellte sie bei dichtem Nebel und Regen an dem Berg El Gordo. Das Flugzeug war nur 40 Kilometer von seinem Ziel, dem kolumbianischen Medellín entfernt. "Ganz Brasilien betet heute für die Angehörigen", sagt die 45-jährige Ana Paula Pereira schockiert, als sie im Airport Guarulhos die Nachricht hört.

Über Twitter hatten Mannschaftsmitglieder und Journalisten am Montag noch zahlreiche Fotos geschickt, das letzte von einem Zwischenstopp im bolivianischen Santa Cruz. Zusammen posieren alle gut gelaunt vor der Unglücksmaschine Typ Avro RJ85, einem Fabrikat der British Aerospace. Kurze Zeit später meldet die Maschine Probleme mit der Elektronik und verschwindet vom Radar. Offensichtlich habe das Flugzeug kein Benzin mehr gehabt, sagt ein Sprecher der kolumbianischen Behörden. Vor dem Absturz habe der Pilot noch Manöver für eine Notlandung versucht. "Die Geschwindigkeit beim Absturz war sehr gering, so als würde es zur Landung ansetzen", sagt der Sprecher.

Helden aus Chapecó

Chapecoense war auf dem Weg zum wichtigsten Spiel der Vereinsgeschichte. Am Mittwoch sollten sie im Finale des Copa Sudamericana gegen Atlético Nacional aus Medellín spielen. Es ist nach der Copa Libertadores der zweitwichtigste Clubwettbewerb in Südamerika, vergleichbar mit der Europa League. Der Vizepräsident des Klubs, Ivan Tozzo, bestätigte am Morgen die Tragödie. "Wir können es alle nicht glauben. Es ist so unvorstellbar", sagt er stockend mit Tränen in den Augen. An Bord waren neben den Fußballern und Betreuern auch zahlreiche Journalisten. Zu den Geretteten gehören Abwehrspieler Luciano Ruschel sowie die beiden Torhüter Jackson Ragnar Follmann und Marcos Danilo Padilha, eine Stewardess und ein Journalist.

Die Spieler des Vereins aus der 200.000-Einwohner-Stadt Chapecó im südlichen Bundesstaat Santa Catarina waren für viele Helden. Erst seit knapp zwei Jahren spielt das Team in der Top-Liga. In nur sechs Jahren haben sich die Spieler aus der Regionalliga in die oberste Klasse hochgekämpft. Anders als in vielen Top-Teams sind nur brasilianische Spieler in der Mannschaft, der bekannteste war wohl Cleber Santana, der 2007 bei Atlético Madrid spielte. Die Verbundenheit mit der Region ist groß, lokale Agrarunternehmen sponserten den Klub. Das Budget ist für eine Top-Mannschaft mit 45 Millionen Reais (12,5 Millionen Euro) für brasilianische Verhältnisse gering. Top-Klubs wie Flamengo aus Rio de Janeiro habe das Zehnfache als Etat.

Schweigeminuten

Spontan unterbrachen weltweit viele Fußballmannschaften ihr Training mit einer Schweigeminute. Brasiliens Nationalstar Neymar twitterte das Logo des Vereins mit einem Trauerflor. "Hab Kraft Chapé", schreibt er. Brasilien verhängte drei Tage Staatstrauer. In Chapecó versammelten sich spontan tausende Fans am Stadion. Die Stadt verhängte 30 Tage Trauer, Schulen blieben geschlossen. Der Bürgermeister, Luciano Bulligon, sagte, Flugzeuge der Luftwaffe seien nach Kolumbien unterwegs, um die Toten nach Hause zu holen. An Bord seien auch Ärzte und Forensiker, die bei der Identifizierung helfen sollten. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 29.11.2016)