Geschäftsessen: Im Supersense auf der Praterstraße wird wieder vorweihnachtlich aufgekocht.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Hauchdünn geschnittene Terrine aus gesottenen Schweinsohren, die Zykan mittels Limette, Galgant, Schalotten, Fischsauce und Minze zu einer federleichten Geschmacksbombe aufzwirbelt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Vergangenes Jahr war das burgenländische Gourmetlokal Taubenkobel in der Vorweihnachtszeit Gast im Wiener Supersense, diesmal wollte Betreiber Florian Kaps seinen außergewöhnlichen Geschenkshop im Dogenhof etwas entspannter (wenn auch mindestens so außergewöhnlich) bespielt wissen – und auch gleich ein bissl üben. Gemeinsam mit Matthias Zykan, der im Sommer stets die fantastische Glutwanne im Volksgarten-Pavillon befeuert, träumt er nämlich davon, das nebenan gelegene Café Dogenhof zu einem Wirtshaus innovativ archaischer Art zu machen.

Wenn es nach den beiden geht, soll hier ein Restaurant entstehen, bei dem das Essen aus einer riesigen, an frühere Schlossküchen gemahnenden Feuerstelle kommt. Das könnte das wohl spektakulärste Essen seit langer Zeit werden. International ist die Wiederentdeckung des offenen Feuers als bestimmendes Element für Küche und Atmosphäre mit Lokalen wie dem Camino (Oakland), Ekstedt (Stockholm), Firedoor (Sydney) oder dem legendären Asador Extebarri im spanischen Baskenland längst angekommen. In Wien aber hat sich, wohl auch wegen extremer Auflagen von Amts wegen, noch niemand drübergetraut. Daumen halten!

Improvisation mit zwei Induktionsplatten

Im Supersense kann Zykan damit noch nicht dienen, die improvisierte Küche besteht aus zwei Induktionsplatten und einem massiven Backrohr. Im Maronistand vor der Tür aber hat vorübergehend ein Big Green Egg Unterschlupf gefunden. Auf dem High-End-Holzkohlengriller werden etwa Wurzeln angekokelt, um danach mit Käse von Robert Paget, Räucherfisch von Gut Hornegg oder anderen Herrlichkeiten kombiniert zu werden. Vor allem aber grillt Zykan hier Steaks, wie man sie in der Stadt des Siedefleischs noch nie gesehen hat.

Das Supersense hat nämlich eine Quelle für außerordentlich gut im Fleisch stehende Milchkühe aufgetan, die zehn oder mehr Jahre auf voralpinen Weiden grasen durften. Die wundersam marmorierten Rücken reifen fünf Wochen trocken, bevor sie zu massiven Steaks geschnitten werden. Fleisch ist das! Von einer Kraft und Qualität, wie man es nicht für möglich gehalten hätte. So zart, so dicht, so endlos in seinem Wohlgeschmack, dass man Mitleid bekommt: mit jenen Kuhbabys von kaum zwölf Monaten, die einem hierzulande sonst als Steak untergeschoben werden – aber auch mit uns Essern, weil wir die wahre Dimension gegrillter Fleischeslust erst so spät erfahren dürfen.

Beuschel himmelhoch

Wer das auch erleben will, sollte reservieren, die alte Kuh wird nur im Rahmen der Abendmenüs aufgetischt. Losgehen tut es aber ab dem Frühstück, für das sich Zykan allerhand Gemeinheiten überlegt hat: vom "argen Ei nach Laune des Chefs" bis zum Katerkiller-Karpfen – weiches Ei und Beinschinken gibt es aber eh auch. Ab Mittag kommt die Küche in die Gänge: mit einem unwirklich fein gewürzten Rehcurry zum Beispiel, dessen schillernde Nuancen wie eine Welle schieren Glücks über den Gaumen schwappen. Oder mit einer Fischbeuschelsuppe von zart gewobener Pracht, mit der die tiefen Teile des Karpfens in lichte Höhen geholt werden.

Abends wird aus einer Vielzahl kleiner Teller ein Menü gebastelt. Da darf man sich auch auf Igittereien freuen, hauchdünn geschnittene Terrine aus gesottenen Schweinsohren zum Beispiel, die Zykan mittels Limette, Galgant, Schalotten, Fischsauce und Minze zu einer federleichten Geschmacksbombe aufzwirbelt (siehe Bild). Zu alldem trinkt man die außerordentlichen Weine von Christian Tschida, und zwar zu Preisen, von denen die Fans zwischen Tokio, Kopenhagen und New York nicht einmal träumen können. (Severin Corti, RONDO, 2.12.2016)