Bild nicht mehr verfügbar.

Park auf allen Kanälen: Südkoreas Staatschefin zeigte sich am Dienstag reuig, lehnte einen sofortigen Rücktritt aber ab.

Foto: Reuters

Seoul/Wien – Die Haltung war jene, die Südkoreas Opposition sich erhofft hatte: Mit gedämpfter Stimme und gesenktem Haupt trat Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye am Dienstag vor die Presse und bot an, sich notfalls auch "hundertmal zu entschuldigen" für ihre Rolle in einem Skandal um die Bevorzugung einer Freundin und Verbindungen zu einer obskuren Sekte, der das Land seit Monaten erschüttert.

Doch das, was sich ihre Gegner und auch viele ihrer Parteifreunde erhofft hatten, tat sie nur halb: Sie biete zwar an zurückzutreten, sagte die Staatschefin, doch nicht sofort, sondern nur dann, wenn das Parlament einen geordneten Rückzug ermögliche.

Das wertete die Opposition als einen Versuch der umstrittenen Staatschefin, Zeit zu gewinnen. Denn über einen ungeordneten Rückzug – also die Absetzung – Parks wollten die Abgeordneten eigentlich am kommenden Freitag entscheiden. Die 172 Mitglieder oppositioneller Parteien und die unabhängigen Mandatare wollten dabei für ihre sofortige Abberufung stimmen, 30 bis 40 Mitglieder ihrer eigenen konservativen Saenuri-Partei ebenfalls. Damit wäre die nötige Mehrheit von zwei Dritteln der 300 Abgeordneten erreicht gewesen. Nun allerdings zögern ihre Parteigänger wieder.

Und das, obwohl das Ausmaß, in dem die Präsidentin in Verruf geraten ist, fast unerreicht scheint. Laut einer Gallup-Umfrage von vergangener Woche sind nur vier Prozent der Koreanerinnen und Koreaner mit Parks Amtsführung zufrieden. Hunderttausende Menschen beteiligen sich in der Hauptstadt Seoul an wöchentlichen Großdemonstrationen gegen Park – die Veranstalter sprechen sogar von 1,5 Millionen.

Eine komplizierte Geschichte

Der Skandal hat vor allem das Vertrauen der Menschen in die Urteilsfähigkeit und Unabhängigkeit der Präsidentin erschüttert. Park wird vorgeworfen, bei mehreren großen Firmen ihre Einflussposition missbraucht zu haben, um Spenden an ihre eng vertraute Freundin Choi Soon-sil zu erzwingen. Zudem soll Choi großen persönlichen Einfluss auf Park gehabt haben: Auf einem ihrer Computer wurden politische Reden gefunden, die sie redigiert hatte – ebenso wie Dokumente, die der Geheimhaltung unterliegen.

Das ist besonders heikel, weil Choi in Korea schon vor dem Skandal keine Unbekannte war. Sie ist die Tochter von Choi Tae-min, einem vom Buddhismus zu einer koreanischen Variante des evangelikalen Christentums konvertierten Sektenführer, der in der Geschichte der Familie Park eine einflussreiche und nicht unkomplizierte Rolle spielt: Er diente sich der jungen Park Geun-hye bereits im Jahr 1974 als geistlicher Berater an, nachdem ihre Mutter von einem nordkoreanischen Spion ermordet worden war. Ziel des Anschlags war eigentlich Parks Vater, Park Chung-hee, gewesen, der das Land seit 1963 als autoritärer Präsident geführt hatte. Dieser wurde später, 1979, doch noch erschossen: von seinem eigenen Geheimdienstchef – weil dieser offenbar den Einfluss des Sektenführers Choi fürchtete, den die Medien als eine Art "koreanischen Rasputin" darstellten.

Schnell bröckelnder Ruf

Park Geun-hye ging erst Anfang der 1990er-Jahre und nach Koreas Demokratisierung in die Politik. Zu ihrer Wahl zur Präsidentin 2012 trug maßgeblich der Ruf als asketische Dienerin des Staates bei, die dem Politikengagement jegliches Familienleben geopfert habe. Doch der gute Eindruck verflog bald. Beim Untergang des Schiffes Sewol, dem 2014 mehr als 300 Menschen zum Opfer fielen, dauerte es fast sieben Stunden, bis die Präsidentin sich dem Katastrophenmanagement widmete. Oft übte sie Druck auf Medien aus und versuchte, in Schulbüchern "patriotische Geschichtsschreibung" zu verankern, die viele als Weißwaschung ihres Vaters sahen. Zu Nordkorea präsentierte sie sich zugleich hart im Ton und schwach in der Durchsetzung.

Dass sie den USA trotzdem die Stationierung eines Raketenabwehrsystems erlaubte, das von China als Provokation verstanden wird, erzürnte viele Landsleute.

Nun, in ihrer Rede am Dienstag, präsentierte sie auch die "Situation in Übersee" als Argument gegen einen plötzlichen Rücktritt. Sie spielt damit auf die Angst an, Nordkorea könnte die Unsicherheit nach dem Wahlsieg Donald Trumps in den USA womöglich für neue nukleare Provokationen nutzen – oder für eine weitere Destabilisierung der Seouler Demokratie und des südkoreanischen Wirtschaftssystems.

Wird Park am Freitag abgesetzt, muss sie ihr Amt jedenfalls unmittelbar aufgeben. Premier Hwang Kyo-ahn würde die Geschäfte vorerst übernehmen. Dann müsste das Höchstgericht innerhalb von 180 Tagen darüber entscheiden, ob die Vorwürfe ihre Absetzung rechtfertigen. Einem solchen Beschluss müssten sechs der neun Verfassungsrichter zustimmen. Wie diese entscheiden würden, ist unklar – die meisten Richter verdanken einem konservativen Regierungschef ihr Amt. Parks reguläre Amtszeit läuft im Februar 2018 aus. Dass sie die Krise bis dahin aussitzen kann, scheint schwer vorstellbar. (Manuel Escher, 29.11.2016)