Man muss die aktuellen Kübelpflanzer und Kübelpflanzerinnen als die historisch evolutionär gewachsenen Eliten betrachten – und kann sich von ihnen folglich so manches abschauen.

Foto: Dennis Eriksson

Die höchste Kunst in der Hege von Pflanzen ist die Kübelpflanzerei. Das Pflegen von Pflanzen in einem Garten stellt keine sehr großen Anforderungen an und schon gar keine Herausforderungen für die Gartlerinnen und Gärtner dar. Loch in den Boden, passende Pflanze rein, angießen und gut ist's. Den Rest erledigen Erde, Sonne und Wasser.

Wer sich jedoch langsam an die Königinnendisziplin, die Kübelpflanzerei, herantastet, wird recht bald auf ein paar wesentliche limitierende Faktoren stoßen, die das Gedeihen der Pflanzen massiv beeinflussen: Platz im Kübel, Menge an Substrat in ebendiesem, gleichmäßige Versorgung mit Wasser und Nährstoffen oder Hitze und Kälte im Wurzelbereich. Dies so zu managen, dass die Kübelpflanze es mit Prosperität dankt, ist kein Einfaches nicht. Wer hier auf Austerität setzt, hat schon verloren – fragt mal die Griechen.

Bedarfsorientierung

Pflanzen gehören ja an und für sich zur Gruppe der wenig mobilen, tendenziell sessilen Lebewesen auf unserem Planeten. Nicht so die Kübelpflanzen! Durch geschickte Zuchtwahl haben es die Kübelpflanzen geschafft, jene Gartlerinnen und Gärtner in der Evolution zu fördern und zu vermehren, welche ihnen die besten Umweltbedingungen schaffen konnten. Und ein wesentliches Merkmal dieser Dynamik ist die mittlerweile den Kübelpflanzerinnen und Kübelpflanzern angeborene Kompetenz, die Pflanzen entsprechend deren Bedürfnissen zu bewegen, zu verschieben und stets so zu drehen, dass es der Prosperität der Pflanze Genüge tut.

Man muss also die aktuellen Kübelpflanzer und Kübelpflanzerinnen als die historisch evolutionär gewachsenen Eliten betrachten – und kann sich von ihnen folglich so manches abschauen. Bereits die Auswahl der Pflanzen ist kritisch. Wiewohl sie mobil sind, macht es wenig Freude, sie im Winter in irgendeinen Keller schleppen zu müssen. Dort darben sie – und das will ja keiner. Daher kauft die KPE (Kübelpflanzenelite) bevorzugt winterfeste Pflanzen ein, so zum Beispiel den Chinesischen Zwergflieder Syringa meyeri "Palibin" oder die Diervilloidea Weigela floribunda, kurz Reichblütige Weigelie genannt.

Hat man sich an der Blütenpracht der beiden dann doch irgendwann sattgesehen und droht der Frost sein todbringendes Handerl auszustrecken, so schieben die KPE die Pflanzen direkt an die Hausmauer, wo es meist um ein bis zwei Grad weniger kalt ist. Sie umwickeln die Kübel mit Noppenfolie, Kokosvlies oder Schilfmatten. Zusätzlich genießen es die Kübler schon sehr, wenn man sie auf eine Styroporplatte stellt. Wer hat schon gerne kalte Füß'? Hochstämme werden umwickelt und sensible Kronen mit Sackleinen geschützt. So machen das die Eliten. (Gregor Fauma, RONDO, 7.12.2016)