Wien – Der Oberste Gerichtshof (OGH) verbietet erstmals das Rauchen in der eigenen Wohnung beziehungsweise auf dem eigenen Balkon. Ein Bewohner eines Hauses in der Wiener Innenstadt darf zu festgelegten Uhrzeiten nicht mehr Zigarre rauchen, weil sich sein Nachbar durch den Geruch gestört fühlt.

Die zwei Streitparteien wohnen in demselben Haus. Der Kläger ist Mieter einer Wohnung im siebenten Stock. Die Wohnung des Beklagten liegt schräg darunter im sechsten Stock. Beide Wohnungen sind mit einer Terrasse ausgestattet. Der Beklagte ist Autor und arbeitet zu Hause. Er raucht täglich ein bis zwei Zigarren, eine davon in der Regel zwischen Mitternacht und zwei Uhr früh. Er raucht im Winter und bei Schlechtwetter bei geschlossenem Fenster und lüftet danach, im Sommer raucht er bei geöffnetem Fenster oder auf der Terrasse.

Der Kläger fühlt sich als Nichtraucher durch den aufsteigenden Qualm beeinträchtigt. Wenn dieser nachts in sein Schlafzimmer eindringt, wache er auf. Eine gesundheitsschädliche Schadstoffkonzentration wurde vom Gericht allerdings nicht festgestellt.

Der Kläger wollte seinem Nachbarn generell verbieten lassen, Rauch zu entwickeln, der in seine vier Wände aufsteigen kann. Dem gab ein Wiener Bezirksgericht in erster Instanz im Jänner 2015 statt. Das Landesgericht schränkte das Verbot in zweiter Instanz auf 22 bis sechs Uhr früh ein.

Verbot ausgeweitet

Der OGH weitete es in der aktuellen Entscheidung wieder aus. Das Verbot gilt nun in der warmen Jahreszeit während der "üblichen Essens- und Ruhezeiten" von acht bis zehn, zwölf bis 15 und 18 bis 20 Uhr. Im Winter (1. November bis 30. April) muss der Raucher von acht bis neun Uhr, 13 bis 14 Uhr sowie 19 bis 20 Uhr auf den Zigarrenkonsum verzichten. Das nächtliche Verbot behielt der OGH bei.

Das Höchstgericht führte aus, dass der Kläger das "nachbarrechtliche Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme" zu beachten habe. Deshalb komme ein generelles Rauchverbot nicht in Betracht. Dem Kläger müsse es aber möglich sein, auch tagsüber seine Terrasse zu nutzen oder zu lüften, ohne sich dem nichtberechenbaren Rauchverhalten des Nachbarn anpassen zu müssen. Durch das teilweise Rauchverbot könne ein "ausgewogener Interessenausgleich erzielt werden".

Als störend empfundene Immissionen aus der Nachbarwohnung beschäftigten den OGH schon öfter, meist ging es dabei aber um Lärm, etwa durch Klavierspielen. Ein Raucherfall wurde laut Senatspräsident Karl-Heinz Danzl zum ersten Mal erörtert. Danzl sieht das Urteil als "Einzelfallentscheidung": Obwohl von jedem OGH-Spruch eine generalisierende Wirkung ausgehe, könnten Regelungen andernorts ganz anders ausfallen. Denn die Höchstrichter seien auf die konkrete Wohnsituation der streitenden Nachbarn eingegangen.

Thema auch in Deutschland

In Deutschland existiert eine ähnliche Regelung bereits seit Jänner 2015. Damals gab der Bundesgerichtshof (BGH) einem Paar recht, das sich durch vom darunterliegenden Balkon aufsteigenden Rauch belästigt fühlte. Der BGH entschied, dass Mietern das Rauchen – nicht nur von Zigarren – zeitweise untersagt werden darf. Die Richter müssten im Einzelfall prüfen, ob der Qualm tatsächlich stört, und angemessene Uhrzeiten für das Rauchen und Nichtrauchen festlegen.

Auch laut dem aktuellen OGH-Spruch sollen sich Richter am "verständigen Durchschnittsmenschen" orientieren und individuelle Gewohnheiten und Lebensumstände einbeziehen. (cmi, 30.11.2016)