Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel geht nicht davon aus, dass bei den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei noch weitere Kapitel eröffnet werden. Dies hat sie in einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärt. Zunächst berichtete die "Bild"-Zeitung darüber und schrieb, Merkel spreche sich damit für einen Abbruch der Verhandlungen aus, weil sie selbst wegen des Vorgehens der Türkei nach dem Putschversuch im Juli empfohlen habe, keine weiteren Kapitel mehr zu eröffnen.

Doch das wurde am Mittwoch dann dementiert. Merkel, so hieß es in Berlin, habe in der Sitzung, vielmehr den Abgeordneten den Status quo beschrieben, indem sie auf die nicht bindende Erklärung des Europäischen Parlaments von vergangener Woche verwies. Die EU-Abgeordneten hatten mit sehr großer Mehrheit gefordert, die Beitrittsgespräche einzufrieren und keine weiteren Kapitel zu eröffnen, nicht aber den Abbruch der Verhandlungen verlangt.

Eine Aussetzung könnte im EU-Ministerrat mit Mehrheit beschlossen werden, nicht aber der Abbruch, den es nur nach einem einstimmigen Beschluss geben kann – was praktisch auszuschließen ist, weil Mitgliedsstaaten wie Großbritannien, Zypern und Griechenland gute Beziehungen mit der Türkei wollen.

Sorge um Flüchtlingsdeal

Aus den Reihen der Unionsparlamentarier war Merkel gefragt worden, wie man denn die EU-Politik der Regierung im Wahlkreis erklären solle. Die Kanzlerin, so Teilnehmer, habe zum Ausdruck gebracht, dass sie keinen Handlungsbedarf bezüglich weiterer Gespräche zwischen der EU und Ankara sehe. Offiziell spricht sich die deutsche Regierung nicht für einen Abbruch der Verhandlungen aus. Man will die Tür zur Türkei nicht völlig zuschlagen – auch wegen des Flüchtlingsdeals. Zuletzt hatten sich beim Besuch von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in der Türkei schwere Differenzen gezeigt.

In der europäischen Realpolitik geht es – jenseits der verbalen Auseinandersetzungen – hingegen konstruktiver zu. Der türkische Europaminister Ömer Çelik war am Mittwoch zu Gesprächen in Brüssel, wo er sich pragmatisch zeigte. Sein Land wolle weiterhin Mitglied der EU werden, weil das "für beide Seiten Vorteile bringen würde", sagte er im Interview mit dem ARD-Europastudio. Çelik kritisierte, die EU setze den Migrationspakt nur "schleppend" um. (Birgit Baumann aus Berlin Thomas Mayer aus Brüssel, 30.11.2016)