Pharmaunternehmen haben im Vorjahr 105 Millionen Euro an Ärzte, Spitäler und medizinische Organisationen in Österreich gezahlt. Der mit Abstand größte Brocken sind 27 Millionen Euro des US-Konzerns Pfizer. Der Großteil davon ist für eine klinische Studie über ein Brustkrebsmedikament von Pfizer selbst geflossen, wie Ö1 am Donnerstag berichtete. Diese Studie wird von Österreich aus gesteuert und in 24 Staaten durchgeführt. Sind die Forschenden und Ärzte an österreichischen Krankenhäusern damit abhängig von Pfizer? Und muss der Staat mitzahlen bei der Erforschung des Pfizer-Produkts?

4.600 Studienteilnehmer

In seiner Veröffentlichung über Sponsorengelder schreibt Pfizer nur, dass man für Forschung 26,7 Millionen Euro in Österreich ausgegeben habe. Erst auf Nachfrage erklärt Pfizer-Österreich-Chef Robin Rumler: Der Großteil floss in eine klinische Studie der Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group (ABCSG) zur Erforschung einer Brustkrebstherapie. "Die ABCSG hat sich Weltruf erworben, sodass sie aus Österreich heraus 24 Länder managen kann, und macht hier das Daten-, Patienten- und Projektmanagement. Hier sollen 4.600 Patienten in die Studie eingeschlossen werden", sagt Rumler.

Medikament soll Heilungsrate erhöhen

Im Rahmen eines 15-Jahres-Vertrags koordinieren 50 ABCSG-Mitarbeiter in Österreich die Studie bis nach Mexiko und Australien – mit dabei sind 18 Spitäler und voraussichtlich 500 Patientinnen in Österreich. Getestet wird, ob ein Pfizer-Medikament, das schon zugelassen ist, gegen hormonabhängigen Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium auch früher wirkt, erklärt Med-Uni-Professor und ABCSG-Präsident Michael Gnant. Ziel sei, "dieses Medikament vorbeugend nach Operationen bei an sich geheilten Patientinnen einzusetzen, um zu verhindern, dass die Krankheit wiederkehrt, und letztlich die Heilungsrate zu erhöhen".

Hauptverbandsexperte: "Wer zahlt, schafft an"

Logisches Ziel von Pfizer ist auch, seine Einnahmen durch das Medikament zu erhöhen. Gottfried Endel, Experte für evidenzbasierte Medizin im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, meint: "Ich nehme an, Pfizer hat sich genau durchgerechnet, welche Studie geeignet ist, um eine Erweiterung der Zulassung zu bekommen. Dann haben sie Stellen gesucht, die so eine Studie durchführen würden. Damit gilt durchaus: Wer zahlt, schafft an."

ABCSG-Präsident dementiert Einfluss

Der Chirurg und ABCSG-Präsident Gnant sagt aber: "Die Datenkontrolle muss im akademischen Bereich liegen und nicht beim Industrieunternehmen, und alle Projekte müssen von den Ethikkommissionen genehmigt werden. Dieses Modell trägt einen wesentlichen Glaubwürdigkeitbonus für die Ergebnisse bei, weil man ja der Industrie – zu Recht oder zu Unrecht – auch unterstellen könnte, dass wirtschaftliche Interessen wichtiger sind. Es gibt andere große Pharmaunternehmen, die Studien auch selbst durchführen. Aus meiner Sicht führt das zu mehr Fragezeichen als bei der beschriebenen Kooperation in diesem sogenannten Pallas-Projekt."

Auf die Frage, ob er sich von Pfizer abhängig oder beeinflusst fühlt, antwortet Gnant: "Also, ich fühle mich überhaupt nicht abhängig. Ich habe keine Pfizer-Aktien, ich achte streng darauf, dass ich von Pfizer während dieser Studie persönlich überhaupt kein Geld bekomme und mit Pfizer keine persönliche wirtschaftliche Beziehung habe."

Genauere Untersuchungen für Studienteilnehmer

Gnant würde sich mehr staatlich finanzierte klinische Forschung wünschen. Österreich sei da peinliches EU-Schlusslicht. Hauptverbandsexperte Endel hingegen sagt, dass der Staat indirekt mitzahle. Im Rahmen von Studien würden Patienten öfter untersucht – etwa per Computertomografie oder Krebsmarker. Das zahle das Gesundheitssystem: "Es ist nicht in Ordnung, dass immer davon gesprochen wird, dass die Forschung ja ausschließlich firmenfinanziert sei. Die Forschung wird auch von den Gesundheitssystemen finanziert. Besonders bedenklich ist es dann, wenn mit dieser Firmenfinanzierung sehr hohe Preise gerechtfertigt werden." Nämlich wenn ein Medikament dann zugelassen ist und den Kassen in Rechnung gestellt wird.

Für die an der Studie teilnehmenden Brustkrebspatientinnen sieht der Hauptverbandsexperte übrigens Risiken und Chancen: einerseits die Unsicherheit, ob sie das Medikament überhaupt bekommen oder in der Vergleichsgruppe sind, die eine Standardtherapie erhält. Andererseits, so Endel, werden Behandlung und Erkrankung im Rahmen von Studien – unabhängig davon, ob das Medikament nun wirkt oder nicht – besonders genau beobachtet. Das sei auf jeden Fall ein Vorteil. (red, 1.12.2016)