Brüssel/Berlin – Als "faulen Kompromiss" bezeichnet Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) die Einigung zwischen EU-Kommission und Deutschland auf eine Pkw-Maut. "Jetzt ist die Diskriminierung ein bisschen mehr verschleiert, aber sie ist da", sagte Leichtfried zur APA. Er will sich mit den Niederlanden, Belgien und Polen abstimmen und allenfalls vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Die niederländische Verkehrsministerin Melanie Schultz van Haegen hat am Donnerstagabend bereits eine Klage angekündigt.

Beim letzten Schliff hatte der Chef persönlich Hand angelegt. Am Donnerstag reiste der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nach Brüssel, um mit EU-Kommissarin Violeta Bulc noch ein paar Details bezüglich der künftigen Pkw-Maut für Ausländer zu klären. "Die Maut kommt", verkündete Dobrindt nach der Sitzung, und sie werde "keine Mehrbelastung für inländische Autofahrer" darstellen. Jeder, der die Autobahn benütze, werde künftig einen angemessenen Beitrag leisten". Es gebe keine Ungleichbehandlung für EU-Bürger und es werde auch keine 1:1-Steuerentlastung für deutsche Bürger, versicherte EU-Komissarin Violeta Bulc.

Mehr Vignetten-Varianten geplant

Das Thema hatte beide Seiten monatelang beschäftigt. Dobrindt wollte das CSU-Wahlversprechen von der Pkw-Maut für Ausländer wahr machen, ohne deutsche Autofahrer zur Kasse zu bitten. Dass das möglich sei, wollte man in Brüssel nicht glauben. Die Kommission leitete sogar ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Dobrindt aber gab nicht auf. Nun steht die Einigung, und sie bringt ein paar gravierende Änderungen: Zum einen werden Kurzzeitpickerl billiger. In der ursprünglichen Variante waren sie der EU zu teuer gewesen. Zudem gibt es nicht mehr drei Varianten, sondern fünf bei Zehntagesmaut und Zweimonatspickerl. Der Preis hängt von Motorgröße und Schadstoffausstoß ab. Für ältere und weniger umweltfreundliche Fahrzeuge wird es teurer.

Die Zehntagesmaut soll – je nach Kfz-Klassifizierung – künftig 2,50 Euro, vier Euro, sechs Euro, 14 Euro oder 20 Euro kosten. Zunächst hatte Dobrindt nur drei Stufen, nämlich fünf, zehn und 15 Euro – vorgesehen. Für die Zweimonatsmaut wollte er 16, 22 oder 30 Euro. Jetzt sollen es sieben, elf, 14, 30 oder 40 Euro sein. Jahresvignetten sollen maximal 130 Euro kosten – je nach Hubraum, Spritverbrauch, Schadstoffnorm.

Schadstoffarme Autos werden stärker entlastet

Ursprünglich wollte Dobrindt den Deutschen die Maut eins zu eins zurückerstatten und eben nur Ausländer belasten. Doch das ließ ihm die EU-Kommission – Stichwort Diskriminierung – nicht durchgehen. Dobrindts Lösung: Er entlastet deutsche Autofahrer mit besonders schadstoffarmen Autos (Euro 6) bei der Kfz-Steuer so sehr, dass für sie die Steuer stärker sinkt, als sie künftig Maut zahlen müssen. Dennoch ist Dobrindt überzeugt, die erhoffte halbe Milliarde Euro für die Autobahnsanierung hereinholen zu können. (Birgit Baumann aus Berlin, red, 1.12.2016)