Wien – Dass Papst Franziskus Donald Trump unterstützt, sei im US-Wahlkampf jene Meldung gewesen, die auf Facebook für die meisten Interaktionen gesorgt hatte. Der Schönheitsfehler? Sie stimmte einfach nicht. "Falsche Nachrichten überflügeln die echten", sagt Thomas Kralinger: "Der Algorithmus springt an, wenn Artikel nur oft genug geteilt werden." Der Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ) und "Kurier"-Geschäftsführer betonte am Donnerstag in Wien bei der Präsentation des VÖZ-"Public Value Berichts" den Stellenwert der Presselandschaft für den Diskurs und damit für die Demokratie.
Um das gefährliche Spiel mit Fake-News zu entlarven, brauche es gar nicht den Blick in Richtung USA, sagt Kralinger. Erst vor drei Tagen stürmten Tausende in Wien die Finanzämter, weil sie glaubten, die Familienbeihilfe wurde zu ihren ungunsten berechnet. Grund war eine Falschmeldung, die auf Türkisch in sozialen Netzwerken zirkulierte.
Eine "neue Informationskultur" durch das Internet und die sozialen Medien konstatiert Udo Di Fabio vom Institut für Öffentliches Recht an der Universität Bonn in seiner Keynote. Die großen Plattformen wie Facebook und Google hätten "Asymmetrie" gebracht. Gerate die ökonomische Grundlage und damit die "Ordnungsfunktion" der Medien in Gefahr, erodiere auch das Vertrauen in sie – eine großes Problem für die Demokratie.
Medienversagen nach Köln
Als Beispiel nannte Di Fabio die sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht in Köln und die Berichterstattung der Medien, die erst nach Tagen einsetzte: "Das ist ein großer Vertrauensverlust." Leser würden zu anderen Plattformen wechseln. Die Gefahr? "Die unterliegen nicht dem journalistischen Ethos und arbeiten mit Falschmeldungen." Eine "Verwilderung der Sitten" sei die Folge.
"Idealbild einer Gesellschaft" sei das Streben nach Pluralität. "Das verlangt Toleranz gegenüber Andersdenkenden", so Di Fabio. "Was wir aber haben, ist eine Kultur der Ängstlichkeit." Auf der Strecke bleibe der Diskurs, der Wunsch nach Konfrontation. Er sieht auch Medien in der Pflicht, den Begriff der "Haltung" zu überdenken: "Jetzt unterscheiden wir zwischen den Anständigen und den Unanständigen". Echokammern und Filterblasen gebe es nicht nur am Rande der Gesellschaft, sondern genauso bei den Eliten. Sie liefen Gefahr, den Draht zum Publikum und den Lesern zu verlieren.
Der Kampf gegen Falschmeldungen im Netz sei keineswegs verloren, sagt Di Fabio. "Wir können User verpflichten, ihre Identität preiszugeben." Etwa mit zivilrechtlichen Unterlassungsansprüchen: "Das Recht ist nicht machtlos." Dennoch brauche es schärfere Gesetze, um etwa Facebook zum Löschen von Falschmeldungen und zur Herausgabe von Daten zu zwingen. "Was eine Straftat ist, müssen Gerichte entscheiden."
Nowak: Journalisten haben versagt
Ohne Facebook hätte es vielleicht noch zwei Tage länger gedauert, um über die Silvesternacht zu berichten, sagt Rainer Nowak, Chefredakteur der "Presse", bei der anschließenden Diskussion: "Faul waren die Pressesprecher und die Journalisten." Letzere hätten bei der Recherche versagt. Journalisten müssten "nach Jahren der Arroganz vom hohen Ross runtersteigen". Statt mit "großer Selbstgefälligkeit" zu agieren, müssten sie ihr Tun wieder mehr erklären.
Für "Falter"-Herausgeber Armin Thurnher könnten Plattformen wie Facebook durch Partizipation theoretisch die Demokratie fördern, in Wirklichkeit seien sie aber "autokratisch". Facebook sei kein Medium, weil es keine redaktionelle Ordnungsfunktion habe, sondern eine technische Plattform. Dass Medien und Journalisten ihre Inhalte über soziale Medien teilen, sieht er skeptisch: "Man stärkt zwar seine Bekanntheit, gräbt sich aber den Markt ab." Ein Punkt, den Nowak von der "Presse" nicht so sieht: "Die Alternative für Medien wäre ein gallisches Dorf zu bilden. Mit Ihnen als Miraculix?", sagt er zu Thurnher.
Ein "Medium in der Pubertät" ist für den Philosophen Alfred Pfabigan Facebook: "Der Zivilisierungsprozess steht erst an." Jede Medienrevolution habe ihre "wilde Zeit". Um die Abhängigkeit von großen Playern wie Google zu reduzieren, schlägt er eigene Suchmaschinen vor. Wie? "Die Verleger könnten das mit Crowdfunding gründen." (omark, 1.12.2016)