Wer sich zündende Ideen, konkrete Anweisungen an die Beamtenschaft oder auch nur scharfe Polemik gegenüber dem Westen erhofft hatte, wurde von Wladimir Putins Rede zur Lage der Nation enttäuscht: Der Kremlchef blieb in seinem Monolog größtenteils vage. Die Rede sollte vor allem eines demonstrieren: Russlands Führung hat weiter alles im Griff – egal ob innenpolitisch oder auf der Weltbühne.

Doch diese Auffassung ist trügerisch. Sicher, der größte Absturz der russischen Wirtschaft ist vorbei, doch ohne neue Akzente wird es auch keinen Aufschwung geben. Das räumte Putin sogar selbst ein; nur hat er es verabsäumt, in seinem Vortrag auch die Leitlinien und Weichenstellungen für den neuen Wirtschaftskurs vorzugeben. Waren frühere Reden zuweilen übermäßig optimistisch, so wirkte dieser Auftritt eher uninspiriert. Allgemeinplätze statt wirklicher Ideen.

Bemerkenswert, wie kurz Putin den außenpolitischen Teil seiner Rede fasste. Dabei hätte er auf internationaler Ebene aus russischer Sicht aktuell durchaus mit einigen Erfolgen punkten können. Doch sowohl Syrien als auch die neue Machtkonstellation in Washington streifte Putin nur. Das Angebot zur Kooperation ist vage. Es ist offenbar noch nicht einmal im Kreml klar, ob der eigene Wunschkandidat Donald Trump als US-Präsident am Ende auch die bessere Wahl für Russland ist. (André Ballin, 1.12.2016)