Wer nach einer Loftwohnung sucht, will Ziegelwände und möglichst keine tragenden Zwischenwände. Ein derartiges Projekt entsteht bis zum kommenden Sommer an der Schönbrunner Straße in Meidling.

Foto: Zoidl

"Alles, was den Menschen schon vor hundert Jahren gefallen hat, gefällt ihnen nach wie vor", sagt der Immobilienentwickler Robert Herowitsch. Er errichtet an der Schönbrunner Straße in Meidling derzeit Wohnungen in dem Gebäude einer ehemaligen k. u. k. Wäsche- und Miederfabrik.

Mit dem Projekt Schuhfabrik will er Lofts – also offene, großzügige Wohnungen in ehemaligen Industriegebäuden – in Wien etablieren: "Denn wenn man von Loftwohnungen spricht, dann denkt man immer nur an New York. In Wien gibt es das nicht." 17 solche Loftwohnungen sollen im zwölften Bezirk bis zum Sommer 2017 entstehen.

Die historischen Mauern des Gebäudes, das hinter dem straßenseitigen Trakt im Hof gelegen ist, wurden gleich mehrfach als Fabrik genutzt: Nach dem ersten Weltkrieg war hier die Schuhfabrik Eldorado untergebracht. Paradiesisch dürften die Arbeitsbedingungen aber nicht gewesen sein: Hier formierte sich Widerstand unter den Arbeitern, wie Herowitsch erzählt. 1948 war die Schuhfabrik einer der Schauplätze eines Schuharbeiterstreiks.

Danach wurde aus der Fabrik ein Bürogebäude. Und alles, was an das historische Erbe erinnerte, wurde, dem Zeitgeist entsprechend, versteckt: Die massiven Säulen wurden verkleidet, die bis zu vier Meter hohen Decken abgehängt und die wuchtigen Stahlträger verborgen. Nach dem Kauf des Straßen- und Hoftrakts habe er selbst erst nach und nach erkannt, was sich im vermeintlichen Bürohaus wirklich verbarg, meint Herowitsch.

Individualität für Käufer

Er will die Wohnungen nun weitestgehend im Rohzustand belassen, um künftigen Käufern Individualität bei Sonderwünschen bieten zu können: "Die einen wollen vielleicht ihre Badewanne mitten in den Raum stellen, die anderen doch lieber eine Wand einziehen", so der Immobilienentwickler.

Eine Wohnung habe er bereits an einen jungen Kreativen verkauft. Dieser habe sich so in die alten schwarz-weiß gemusterten Fliesen im Stiegenhaus verliebt, dass er sie für sein Badezimmer haben wollte. Es sei eben ein besonderer Reiz, auch beim Zähneputzen auf Fliesen mit Geschichte zu stehen, meint Herowitsch.

Zumindest für jene, die es sich leisten können: Eine 58 Quadratmeter große Wohnung kostet in der Schuhfabrik 395.000 Euro, eine nicht ganz hundert Quadratmeter große Loftwohnung kommt auf 598.000 Euro. Und das teuerste der vier Penthäuser, die oben auf dem Dach gebaut werden, kommt auf über eine Million Euro.

Großzügige Interpretation

Ein Blick auf diverse Immobilienportale zeigt aber: Eigentlich müsste es Lofts bzw. "loftartige Wohnungen" in Wien zuhauf geben, zumindest bei großzügiger Interpretation: "Jede Wohnung, die einen größeren Wohnraum hat, wird heute als 'loftartig' bezeichnet", sagt David Breitwieser, Wohnimmobilienexperte bei EHL Immobilien. Das – begrenzte – Angebot an tatsächlichen Lofts halte sich aber in Wien mit der Nachfrage die Waage: "Es gibt nur einen kleinen Kundenkreis, der das will", sagt Breitwieser. Der große Vorteil an Lofts sei, dass diese – im Gegensatz zum klassischen Wiener Zinshaus – keine tragenden Zwischenwände haben und so offene, großzügige Raumkonzepte möglich machen.

Nachgefragt würden solche Konzepte meist von gutverdienenden Singles oder Pärchen ohne Kinder, die auf der Suche nach einem anderen Wohngefühl sind: Themen wie Flächeneffizienz würden bei einer Loftwohnung nämlich keine Rolle spielen. Oft würden solche Wohnformen beispielsweise auch von Architekten gesucht, die sich zu Hause ein Büro einrichten wollen, erzählt Breitwieser. Internationale Käufer wiederum würden von Lofts in Wien weniger angesprochen, meint der Experte: "Sie wollen eher im Altbau wohnen."

Alt, aber neu

Die "wahre Challenge" an der alten Substanz ist laut Immobilienentwickler Herowitsch, den historischen Reiz zu bewahren und gleichzeitig moderne Standards zu erfüllen. So hätte beispielsweise der Fabriksboden den Anforderungen des Schallschutzes bei modernen Wohnungen nicht genügt, auch die Fabriksfenster hätten moderne Ansprüche nicht erfüllt.

Wegen des Brandschutzes müssen die historischen Säulen mit einem Brandschutzanstrich versehen werden. In einer Musterwohnung zeigt Herowitsch Interessenten, wie es hier einmal ausschauen könnte: Das Schlafzimmer ist mittels einer Industriefensterwand vom Wohnraum abgetrennt, "All you need is loft" steht an der Wand überm Bett kunstvoll geschrieben.

"Es ist eine Wohnform, die für viele Menschen im Urlaub cool ist", sagt Breitwieser – "aber nur selten als permanente Wohnung." (Franziska Zoidl, 9.12.2016)