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Glückliche Siegerin: Sarah Olney gewann die Neuwahl in Richmond Park.

Foto: REUTERS/Peter Nicholls

Auf den ersten Blick wirkt das, was am Donnerstagabend in London passiert ist, eher unbedeutend: Sarah Olney, Politneuling und erst seit 18 Monaten Mitglied der britischen Liberaldemokraten, schlug den konservativen Politveteran Zac Goldsmith in einer Neuwahl im noblen Wahlbezirk Richmond Park im Südwesten Londons. Goldsmith hat sich seinen Mandatsverlust selbst zuzuschreiben: Aus Protest gegen den Flughafenausbau in Heathrow trat er aus seiner Partei aus und machte so eine Neuwahl in seinem Wahlbezirk notwendig. Womit er nicht rechnete: Die Liberaldemokraten nutzten den Wahlkampf, um daraus statt einer Abstimmung über den Flughafenausbau eine Entscheidung über den Austritt Großbritanniens aus der EU zu machen.

Richmond Park war dafür fruchtbarer Boden: In dem Wahlbezirk wohnen überdurchschnittlich viele wohlhabende, gut ausgebildete Menschen – knapp 70 Prozent von ihnen haben beim Austrittsreferendum für einen Verbleib in der EU gestimmt. Goldsmith ist jedoch ein prominenter Austrittsbefürworter. Die Liberaldemokraten nutzten das und boten enttäuschten EU-Anhängern eine Möglichkeit, ihrem Ärger über den Ausgang des Referendums Luft zu machen.

Konservative Mehrheit geschrumpft

Die Liberaldemokraten können sich nun über ihren neunten Sitz im britischen Parlament freuen – eine eher magere Zahl, wenn man bedenkt, dass sie bei der letzten Parlamentswahl 49 Sitze verloren haben. Trotzdem könnte sich die Strategie der Partei als gefährlich für die konservative Regierung von Theresa May herausstellen. Mit der Abwahl Goldsmiths, der zwar aus der Partei ausgetreten ist, aber immer noch als Konservativer gilt, ist Mays Mehrheit im Parlament auf 13 Stimmen geschrumpft.

Und sie könnte weiter schrumpfen, denn was in Richmond Park geschehen ist, wollen die Liberaldemokraten nun im ganzen Land wiederholen. Auf jene Wahlbezirke, in denen ein Konservativer ins Parlament gewählt wurde, aber die Bevölkerung mehrheitlich für einen Verbleib in der EU gestimmt hat, wollen die Liberalen künftig ihren Wahlkampf konzentrieren.

Noch gefährlicher wird es für die Konservativen, wenn sich ähnliche Wahlbündnisse bilden wie in Richmond Park: Die Grünen hatten sich dort im Vorfeld der Neuwahl entschieden, nicht anzutreten – die Chancen Goldsmiths hatten sich dadurch verringert.

Stolpersteine

Zwar ist die nächste Parlamentswahl regulär erst im Jahr 2020 angesetzt, doch für Premierministerin May gibt es bis dahin noch einige Stolpersteine. Nächste Woche will das britische Verfassungsgericht darüber entscheiden, ob das Parlament vor der Auslösung des Artikel 50 (Austritt aus der Europäischen Union) konsultiert werden muss. Sollten die Höchstrichter das bejahen, könnten der Regierung im schlimmsten Fall Grabenkämpfe bevorstehen, über die letztlich May samt ihrem Kabinett stürzen könnte.

Nach außen hin gibt man sich allerdings gelassen: Die Partei bedauerte Goldsmiths Niederlage, sah darin aber keinen Anlass für eine Kurskorrektur in der Brexit-Politik. "Dieses Ergebnis ändert nichts", hieß es in einer Erklärung der Tories. "Die Regierung fühlt sich weiter einem Ausscheiden aus der Europäischen Union verpflichtet." (stb, 2.12.2016)