Bild nicht mehr verfügbar.

Außenminister Johnson bei seiner Rede am Freitag.

Foto: REUTERS/Gareth Fuller/Pool

Die mit knapper Mehrheit regierende Regierung Großbritanniens schlägt derzeit gegenüber der EU versöhnliche Töne an. Man werde Versuche tieferer Integration, beispielsweise in der Verteidigungspolitik, "nicht blockieren", sagte Außenminister Boris Johnson am Freitag in London. Zuvor hatte bereits der Brexit-Minister David Davis Kompromissbereitschaft signalisiert: Um den bestmöglichen Zugang zum Binnenmarkt zu gewährleisten, sei London weiterhin zu Zahlungen ins Brüsseler Budget bereit. Zudem wolle man am geplanten EU-Patent festhalten.

In seiner ersten programmatischen Rede zur britischen Außenpolitik in der Brexit-Ära betonte der seit Juli amtierende Johnson, sein Land wolle auch in Zukunft eine wichtige Rolle auf der Weltbühne spielen. Die auf Regeln basierende globale Ordnung sei durch den "Kult des starken Mannes" in Gefahr, die Demokratie befinde sich auf dem Rückzug, ein "Bogen der Instabilität" ziehe sich vom Irak über Syrien bis Libyen. Ausdrücklich schloss Johnson eine Normalisierung der Beziehungen zu Moskau aus und begründete dies mit Russlands Besetzung der Krim, dem Krieg in der Ostukraine und in Syrien. Eine Friedenslösung unter Einschluss des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad sei unmöglich.

In Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten wird Johnson kritisch gesehen, weil er im Referendumskampf den EU-Austritt propagierte und dabei vor dem angeblich bevorstehenden Beitritt der Türkei warnte. Seither irritierte er viele EU-Kollegen durch sein unernstes Auftreten und seine flotten Sprüche. Italiens Wirtschaftsentwicklungsminister Carlo Calenda sprach nach einer Begegnung mit Johnson von "großem Chaos" . Der niederländische Finanzminister und Eurozonen-Koordinator Jeroen Dijsselbloem tadelte den Briten für dessen Wunsch, freie Handelsbeziehungen mit Einwanderungskontrolle zu verbinden: Dies sei "intellektuell unmöglich". (Sebastian Borger aus London, 3.12.2016)