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Wenn die Hochrechnungen stimmen und Van der Bellen tatsächlich diese Präsidentschaftswahl für sich entscheiden konnte, dann gibt es viele Ursachen dafür. Dass es eine Richtungsentscheidung war, dürfte viele motiviert haben, zur Wahl zu gehen: Dass mit Alexander Van der Bellen erstmals ein Grüner – auch wenn er das im Wahlkampf zu verstecken versuchte – Staatsoberhaupt eines westeuropäischen Landes wird, hat Signalwirkung über Österreich hinaus.

Van der Bellen hat nicht nur überzeugte Anhänger zur Stimmabgabe gebracht, sondern auch darüber hinaus mobilisieren können: all jene, die für ihn nach dem Motto "Das kleinere Übel" gestimmt haben; und andere, die sich nicht wundern wollten nach diesem Wahltag. Van der Bellen konnte auch all jene zur Stimmabgabe für ihn bewegen, die Angst hatten vor einem Klima in Österreich, in dem antisemitische und fremdenfeindliche Aussagen immer alltäglicher werden; in dem die Freiheit der Kunst, der Wissenschaft und der Medien infrage gestellt wird; wo Diskriminierung und Hetze zum "guten Ton" gehören. Kurzum: Die von Karl Popper propagierte "offene Gesellschaft" stand mit zur Abstimmung.

Mit Van der Bellen ist auch die Verankerung Österreichs in der EU nicht infrage gestellt. Denn Norbert Hofer hat nicht nur Aussagen zu einem möglichen Austrittsreferendum getroffen, sondern ist auch für eine Annäherung Österreichs an die sogenannten Visegrád-Staaten eingetreten, deren Vertreter wie Ungarns Regierungschef Viktor Orbán für einen autoritären Politikstil und eine Einschränkung demokratischer Rechte, wie sie die polnische Regierung vornimmt, stehen.

Hilfe von SPÖ und ÖVP

Van der Bellen verdankt seinen Wahlsieg nicht nur der sogenannten Schickeria, sondern auch SPÖ-Funktionären und vor allem vielen ÖVP-Bürgermeistern auf dem Land, die diesmal organisiert für ihn gelaufen sind – obwohl sich die Bundesparteileitung erneut zu keiner klaren Wahlempfehlung durchringen konnte. Irmgard Griss und Heinz Fischer haben mit ihrem öffentlichen Eintreten für Van der Bellen ebenfalls ihren Beitrag zu seinem Wahlsieg geleistet. Es waren ein breites Bündnis und die Angst vor einem Rechten als Präsidenten, die Van der Bellens Wahl ermöglicht haben. Die Allianz steht für das "andere Österreich", das keinen deutschnationalen Rechtspopulisten an der Staatsspitze haben wollte.

Es wird nun an Van der Bellen liegen, Brücken über die Gräben, die während des Wahlkampfs aufgerissen wurden, zu errichten. Von seinem Naturell her wird er diese Aufgabe erfüllen. Aber wird er auch das umsetzen, was ihm der oft zögerliche, zurückhaltende Heinz Fischer als Vermächtnis hinterlassen hat – als Mahner und Antreiber zu fungieren? "Veränderung ist oft unbequem, schmerzhaft und anstrengend. Aber auf Veränderung zu verzichten kann noch viel schmerzhafter werden", sagte Fischer zum Abschied. Er hinterließ damit Van der Bellen, aber auch der SPÖ-ÖVP-Regierung, die indirekt eine weitere Chance zur Zusammenarbeit erhalten hat, einen Auftrag. (Alexandra Föderl-Schmid, 4.12.2016)