Für die Freiheitlichen ist das Wahlergebnis vom Sonntag nur bedingt ein Dämpfer: Sie ziehen zwar nicht in die Hofburg ein, ihr Kandidat Norbert Hofer kam allerdings auf 47 Prozent der abgegebenen Stimmen – und das bei einer Wahlbeteiligung von immerhin 74 Prozent. Für die kommenden Nationalratswahlen ist das – aus Sicht der FPÖ – eine hervorragende Ausgangsposition.

Während Alexander Van der Bellen auf eine breite Allianz an Unterstützern aus (fast) allen Lagern zurückblicken kann, waren die Freiheitlichen weitgehend auf sich allein gestellt – mit Ausnahme einiger versprengter schwarzer Unterstützer wie Reinhold Lopatka. Umso beängstigender ist das Abschneiden eines Kandidaten, der für Nationalismus, Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit steht.

Der kommende Wahlkampf auf Bundesebene stellt insbesondere für die beiden jetzigen Koalitionspartner SPÖ und ÖVP eine enorme Herausforderung dar: Was können und was wollen sie der FPÖ entgegenstellen? Hofer selbst hat noch in der Wahlnacht gedroht, dass in ihm ein schlafender Bär geweckt worden sei. Tatsächlich ist es den Freiheitlichen gelungen, neben Parteichef Heinz-Christian Strache eine zweite zentrale Figur aufzubauen, mit der sich ein Wahlkampf bespielen lässt. Dass in der FPÖ ein Machtkampf zwischen den beiden ausbrechen könnte, entspricht dem Wunschdenken der Medien. Wahrscheinlicher ist, dass die FPÖ mit einem selbstbewussten Duo antritt.

Die SPÖ, von der man derzeit am ehesten erwartet, dass sie den Schritt in Richtung Neuwahlen macht, hat dem freiheitlichen Machtanspruch allerdings wenig entgegenzusetzen. Die Wiener Partei ist zerstritten, der Führungsanspruch von Bürgermeister Michael Häupl nur noch theoretischer Natur. Gerade im kommenden Nationalratswahlkampf wäre die Mobilisierungskraft der Landesgruppe aber von zentraler Bedeutung.

Dass die Wiener, aufgerieben in einem Flügelkampf zwischen links und rechts, geeint marschieren, ist schwer vorstellbar. Die im Raum stehende Frage, ob eine Koalition mit der FPÖ denkbar ist, treibt einen Keil in die SPÖ. Häupl hat seine Antwort schon gegeben: undenkbar aus seiner Sicht. Viele andere in seiner Partei (gerade auch in Wien oder im Burgenland) haben dazu aber eine gegenteilige Meinung. Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für einen Wahlkampf, den Kanzler Christian Kern eigentlich als Duell mit Strache inszenieren wollte.

Davon sollte die ÖVP profitieren können. Deren Repräsentanten sind allerdings im parteieigenen Keller verschwunden, wo sie offenbar darüber diskutieren, mit wem sie könnten, ob sie überhaupt miteinander können, was sie denn wollen – oder ob sie überhaupt etwas wollen sollen. Wenn die ÖVP nicht bald zu sich findet, bleibt sie eine regional stark verankerte Partei, die auf Bundesebene keine Rolle mehr spielt. Sowohl SPÖ als auch ÖVP bräuchten eine klarere Abgrenzung ihrer Positionen, die über das Verhältnis zur FPÖ hinausgehen. Das klärt sich dann von selbst. (Michael Völker, 5.12.2016)