Konzeptkunst im Kunsthaus Bregenz: Lawrence Weiners Wortwerke ziehen sich wie Banner durch die Räume des Zumthor-Baus.


Foto: Kunsthaus Bregenz

Bregenz – Wherewithal / Was es braucht heißt die Personale, die das Kunsthaus Bregenz (Kub) Lawrence Weiner widmet. Nicht nur um Nötiges, sondern um das Nötigste gehe es dabei, das letzte Auskommen, sagt Kub-Direktor Thomas D. Trummer.

Weiner, geboren 1942 in New York und einer der Kompromisslosesten der Konzeptkunst, macht die Betonmauern des Kub zum Resonanzboden seiner Gedanken. Als zweisprachige Wortbänder ziehen sie sich über die vier Geschoße. Built up with stones fallen down from the skyAufgebaut mit vom Himmel gefallenen Steinen: Blaue und gelbe Großbuchstaben, schwarz konturiert auf weißer Wand, empfangen die Besucher.

Angeordnet sind sie in einer schwungvollen Linie. Soll man diese als Wurfbahn sehen? Als Sternenbahn? Soll man an einen geworfenen Stein, einen Meteoriten denken? Weiner verweigert die Interpretationshilfe: "Schau einfach auf das verdammte Objekt und finde heraus, ob es etwas für dich ist oder nicht."

Wer schnelle Kunstabenteuer sucht, wird enttäuscht. Kunst dürfe nicht in die Falle von Gefälligkeit und einfacher Bebilderung gehen, sagt Weiner, sie müsse Fragen stellen. Reduziert, karg mag die Schau wirken. Wer Weiners Werke im öffentlichen Raum, in städtischen Brachen, an Unorten kennt, wünscht sich die Sprachskulpturen beim ersten Hineinfühlen befreit vom Korsett des Raumes. Hat man einmal inmitten der gemalten Großbuchstaben Platz genommen, wird aber spürbar: Weiners Werk hat einen würdigen Rahmen gefunden.

Kraftvoll wie Banner prangen die Lettern auf dem Sichtbeton. Das Wort hat für ihn, der sich als Bildhauer sieht, dasselbe Gewicht wie ein Stein, der bearbeitet wird. "Zuerst war das Wort, und mit dem Wort verstand man, dass es etwas vor dem Wort gab", variiert der Meister Bibelinhalte.

Weiners Wortwerke sind immer zweisprachig, zum Englischen kommt die jeweilige Landessprache. Der Künstler kommuniziert mit Mensch und Raum. In der besonderen Architektur des Kub sei das nicht ganz einfach, sagt er wie viele Künstler vor ihm. Weiner hat die Herausforderung gemeistert, verstärkt die Wirkung des selbstbewussten Zumthor-Baus als Ort der Einkehr.

Für Bregenz ließ sich Weiner von Geysiren inspirieren, die er als Ventile für Überdruck sieht: "Was unterirdisch kocht, kommt schließlich zum Ausbruch." Die politische Interpretation liegt nahe. "Die USA zerstört sich gerade selbst", sagte ein sichtlich erschütterter Lawrence Weiner dann beim Pressegespräch, das am Tag nach der US-Präsidentenwahl stattfand. Kunst sei für ihn ein spontaner Ausweg aus vermeintlich ausweglosen "tektonischen Krusten", versuchte er sich in Optimismus. Steht man vor der Wortskulptur im obersten Geschoß, mag man die Zuversicht nicht mehr glauben: The boulders on top rent & split – Die Brücken obenauf zerrissen und gespalten lautet das Menetekel. (Jutta Berger, 5.12.2016)