Brexit-Chefverhandler Barnier.

Foto: APA/AFP/EMMANUEL DUNAND

Die Europäische Union geht davon aus, dass für die Verhandlungen mit Großbritannien über den Austritt aus der Gemeinschaft de facto nur eineinhalb Jahre Zeit bleiben. Das hat der Chefverhandler der EU-Kommission, der Franzose Michel Barnier, am Dienstag in Brüssel in seiner ersten Pressekonferenz nach seiner Bestellung durch Kommissionschef Jean-Claude Juncker deutlich gemacht.

Man begebe sich auf "unsicheres Neuland", der Vorgang sei "komplex, politisch heikel und werde wichtige Konsequenzen für beide Seiten bringen", sagte er. Es sei keine Zeit zu verlieren.

Die britische Premierministerin Teresa May hat zwar angekündigt, dass sie "im März" den Antrag nach Artikel 50 des EU-Vertrages stellen will. Aber sonst gibt es keinerlei bekannte Positionen, wie sich das Land die Beziehungen mit der EU in Zukunft vorstellt.

Unter Österreichs EU-Vorsitz

Barnier, ab 1999 mehrfach EU-Kommissar, EU-Abgeordneter in Straßburg und Mehrfachminister in Frankreich, erhöhte den Druck auf die Regierung in London. Er gehe davon aus, dass der Austrittsvertrag im Oktober 2018 auf dem Tisch liegen werde. Dann müssten die EU-Regierungschefs, das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten darüber befinden. Das sei das Zeitkonzept, will man das Ausscheiden der Briten rechtzeitig vor den nächsten Europawahlen im Mai 2019 "in aller Form und geordnet über die Bühne bringen".

Der Chefverhandler macht bereits sehr konkret, welche Bedingungen die EU-Institutionen an London stellen werden: Die 27 Staaten werden nach dem Prinzip "Einheit ist Stärke" vorgehen. "Nur EU-Mitglieder verfügen über Rechte und Privilegien", so Barnier, nicht aber künftige Drittstaaten wie Großbritannien.

London müsse selbst entscheiden, welche Art, welches Modell von Beziehung es zur Union wolle, und das mitteilen. Vor dem offiziellen Austrittsantrag gebe es dazu keinerlei Verhandlungen. Eine "Rosinenpickerei" bei den vier Grundfreiheiten der EU sei ausgeschlossen. Sollten die Briten etwa weiter Zugang zum Binnenmarkt wollen, dann müssten sie, ähnlich wie Norwegen, dafür ins EU-Budget einzahlen.

Barnier hat eine Taskforce von 30 Leuten zur Verfügung, die mit Institutionen und Ländern die Gespräche vorbereitet. Sein Plan, den Brexit-Vertrag im Oktober 2018 abzuschließen, würde auch für die Regierung in Wien zur Bewährungsprobe: Österreich führt im zweiten Halbjahr 2018 den EU-Vorsitz und müsste das dann umsetzen. (Thomas Mayer aus Brüssel, 6.12.2016)