Noch-Premier Matteo Renzi (rechts) und Innenminister Angelino Alfano (links) wollen schon im Februar wählen lassen. Bloß weiß niemand, wie.

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Zwar werden viele Noch-Premier Matteo Renzi nicht plötzlich groß nachtrauern, aber in den römischen Palazzi der Macht hat sich nach der Referendumsschlacht nun doch eine leichte Katerstimmung breitgemacht – nicht nur bei den Verlierern. Es ist einfach zu vieles ungeklärt: der Wahltermin, die Ausgestaltung des noch zu schreibenden neuen Wahlgesetzes und nicht zuletzt auch die Frage nach dem neuen politischen Leader, also nach dem Sinn des Ganzen.

Im Grunde ist nicht einmal richtig klar, was das nun ist in Rom: eine Regierungskrise? Eine solche wäre formal dann gegeben, wenn die Regierung ihre Mehrheit im Parlament verliert. Renzi wurde aber vom Volk de facto das Vertrauen entzogen. Die Regierungsmehrheit im Parlament bleibt unverändert.

Nach dem Rücktritt den Wirbel überstehen

Renzi könnte sich die Sache mit dem Rücktritt theoretisch sogar noch anders überlegen – was er natürlich nicht tun wird: Der Gesichtsverlust wäre zu groß. Es heißt, Renzi dränge auf möglichst baldige Neuwahlen, um mit dem sozialdemokratischen PD ein glanzvolles Comeback feiern zu können. Dieser Optimismus und Kampfgeist ehrt den großen Verlierer vom Wochenende – aber erst einmal muss Renzi den Wirbel im PD überstehen, der in der gespaltenen Partei gerade erst begonnen hat. Renzi kann sich nicht einmal sicher sein, in diesem Machtkampf mit der Parteilinken seinen Posten als PD-Chef zu behalten.

Eine zwingende Personalalternative haben Renzis parteiinterne Gegner bisher nicht aus dem Hut gezaubert. Noch dramatischer stellt sich die Kandidatenfrage im bürgerlichen Lager, das immer noch – man wagt es kaum noch zu schreiben – von Silvio Berlusconi beherrscht wird. Der mit einem Ämterverbot belegte 80-jährige Ex-Premier hat immer wieder mögliche Nachfolger präsentiert, nur um diese jeweils nach kurzer Zeit wieder abzuservieren. Verbrannte Erde statt Zukunftshoffnung also bei den Bürgerlichen.

Grillo wittert seine Chance

Bleiben – neben der zu schwachen rechten Lega Nord – nur die "Grillini". Die Protestbewegung von Ex-Komiker Beppe Grillo wird ihren Kandidaten vermutlich wieder per Internetvotum küren – wie schon bei den Bürgermeisterwahlen in Rom im vergangenen Sommer. In der Drei-Millionen-Metropole wurde die zuvor völlig unbekannte Virginia Raggi mit 1.764 Mausclicks von Grillo-Sympathisanten zur Spitzenkandidatin bestimmt. Sie gewann die Wahl und versucht seither, die Ewige Stadt zu regieren. Grillo drängt von allen am lautesten auf sofortige Neuwahlen.

Staatspräsident Sergio Mattarella wird diesem Drängen kaum nachgeben. Objektiv gesehen gibt es, erstens, keinen Grund, das Parlament überhaupt aufzulösen: Es existiert ja immer noch eine parlamentarische Mehrheit für eine Übergangsregierung. Zweitens muss erst ein neues Wahlgesetz her: Würde mit den aktuellen "alten" Regeln gewählt, ergäben sich im Senat und in der Abgeordnetenkammer mit großer Wahrscheinlichkeit völlig unterschiedliche Mehrheiten – und damit ein noch größeres Chaos.

Über die Art der erforderlichen Wahlrechtsreform – das Verfassungsgericht hat das Gesetz teilweise aufgehoben und will am 24. Jänner nochmals darüber beraten – bestehen aber unterschiedliche Vorstellungen. Keine Kandidaten, kein Wahlgesetz, kein Wahltermin: Staatspräsident Mattarella hat ein kompliziertes Puzzle vor sich. Aber der Sizilianer hat dem Land schon einmal den Weg aus einer Krise gezeigt: Nach dem Schmiergeldskandal "Tangentopoli" war er der geistige Vater eines neuen Wahlgesetzes (Mattarellum) gewesen. Es galt von 1993 bis 2005, bis sich der damalige Premier Berlusconi ein neues auf den Leib schneidern ließ. Ein leicht angepasstes "Mattarellum 2.0" gilt heute als oft genannter Ausweg aus der Sackgasse, in die sich die italienische Politik wieder einmal manövriert hat. (Dominik Straub aus Rom, 6.12.2016)