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Ein "ehrliches Ergebnis" hatte Merkel vor ihrer Wiederwahl für selbige erwartet. Sie bekam 89,5 Prozent der Stimmen.

Foto: Reuters / Kai Pfaffenbach

Essen/Berlin – Ob Angela Merkel am Dienstag beim Betreten der Messe Essen nostalgische Gefühle befallen haben, ist nicht bekannt. Sie ist diesbezüglich ja nicht sehr mitteilungsfreudig, außerdem schauen alle Parteitagshallen ziemlich ähnlich aus. Essen jedoch war schon einmal für Merkel eine besondere Station. Dort wurde sie im April 2000 erstmals zur CDU-Vorsitzenden gewählt.

An diesem Dienstag ist sie wieder in der Ruhrmetropole, und es geht gleich um zwei Wahlen. Zunächst um ihre Wiederwahl als CDU-Vorsitzende, Merkel tritt zum neunten Mal an. Aber auch die Bundestagswahl 2017 hält schon Einzug in die Halle. Vor zwei Wochen hat Merkel erklärt, dass sie sich um eine vierte Kanzlerschaft bewerben wolle.

Natürlich ist sie auch hier, auf dem Parteitag, gleich wieder bei jenem Thema, das die CDU immer noch am stärksten antreibt: den vielen Flüchtlingen, die nach Deutschland gekommen sind. "Ich habe euch einiges zugemutet, weil uns die Zeiten einiges zugemutet haben", erklärt sie und meint auch:_"Ich kann nicht versprechen, dass die Zumutungen weniger werden, weil wir tun müssen, was die Zeiten von uns erfordern."

Doch Merkel verspricht auch: "Eine Situation wie die des Spätsommers 2015 kann, soll und darf sich nicht wiederholen. Das war und ist unser und mein politisches Ziel." Doch weil manchen Kritikern in den eigenen Reihen schöne Worte nicht mehr reichen, hat Merkel auch Zugeständnisse mitgebracht.

Schärfere Forderungen

Der Leitantrag enthält auch verschärfte Forderungen zur Abschiebepolitik – etwa die Möglichkeit, den Ausreisegewahrsam von wenigen Tagen auf vier Wochen zu verlängern. Zudem heißt es darin: "Mit vollzogener Abschiebung erfolgt eine Wiedereinreisesperre." CDU-Vize Thomas Strobl hatte sich für die Verschärfung bei der Abschiebepolitik eingesetzt, konnte aber nicht alle seine Forderungen durchsetzen. Nach Ansicht Strobls sollte auch die Abschiebung kranker Asylbewerber kein Tabu mehr sein. Diese Forderung allerdings findet sich so nicht im Antrag.

Merkel aber spricht sich in ihrer Rede für ein Burkaverbot aus und sagt: "Bei uns heißt es: Gesicht zeigen, deswegen ist die Vollverschleierung nicht angebracht, sie sollte verboten sein", wo immer dies rechtlich möglich sei, etwa vor Gericht oder bei der Polizei. Dafür spenden die rund 1000 Delegierten besonders viel Applaus.

Allerdings gibt Merkel nicht nur, sie fordert auch etwas. In den letzten 15 Minuten ihrer recht leidenschaftslosen und unspektakulären Rede wird sie doch noch emotional. Immer noch wolle sie Deutschland dienen, sagt sie. Und sie erklärt auch, bezogen auf den Wahlkampf 2017: "Ich werde alles einbringen, was ich kann." Doch dann wendet sie sich direkt an die Delegierten und sagt: "Ihr müsst mir helfen!" Denn: "Kein Mensch, auch nicht mit größter Erfahrung, kann die Dinge allein in Deutschland oder Europa zum Besseren wenden. Das wäre grotesk. Es geht nur gemeinsam Hand in Hand." Der Wahlkampf nämlich werde "kein Zuckerschlecken".

Doch so ganz Hand in Hand geht es dann bei der anschließenden Aussprache doch nicht. Während sich alle CDU-Granden hinter sie stellen, äußern einzelne Funktionäre Kritik. Einem missfällt, dass die Union keinen eigenen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert, einem anderen, dass Merkel die Konservativen vernachlässige.

Das Unbehagen wirkt sich auch im Wahlergebnis aus. Merkel bekommt nur 89,5 Prozent der Stimmen. Es ist das zweitschlechteste Ergebnis nach 2004. Vor zwei Jahren hatte sie noch 96,7 Prozent der Stimmen bekommen. Dennoch sagt sie: "Ich nehme die Wahl an und freue mich über das Ergebnis." Eine Gratulation von CSU-Chef Horst Seehofer bleibt ihr erspart. Der bleibt diesem Parteitag fern. (Birgit Baumann, 6.12.2016)