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Die Zara-Mutter Inditex ist die weltweite Nummer eins im Textilgeschäft.

Foto: REUTERS/Andrea Comas

Brüssel/Wien – Bis zu 70 Milliarden Euro pro Jahr – ein Jahresbudget des Staates Österreich – verliert Europa laut Schätzungen des Europäischen Parlaments aufgrund von Steuervermeidung von Konzernen. Um Abgaben zu sparen, basieren global tätige Unternehmen meist auf einem komplexen Firmengeflecht. Am Beispiel des spanischen Textilriesen Inditex, Mutterkonzern des Modeunternehmens Zara, zeigen die Grünen im Europaparlament nun, wie Konzerne ihre Gewinne in europäische Niedrigsteuerländer verschieben.

Neben Zara gehören unter anderem auch Bershka und Massimo Duti zu den Inditex-Ablegern. Der schnell wachsende Konzern ist die weltweite Nummer eins im Textilgeschäft und betreibt inzwischen über 7.000 Läden in mehr als 90 Märkten. Inditex soll in den Jahren 2011 bis 2014 mindestens 585 Millionen Euro Steuern vermieden haben, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht der Grünen-Fraktion.

Konzern weist Kritik zurück

Laut der Nachrichtenplattform Bloomberg hat Inditex den Bericht in einer ersten Reaktion zurückgewiesen. Er basiere auf falschen Annahmen, die zu unrichtigen Schlüssen führten. Der Konzern betont, man halte sich in allen Märkten, in denen man tätig sei, penibel an die geltenden Steuerregeln.

Die Autoren der Grünen-Studie haben Konstruktionen in den Niederlanden, der Schweiz und Irland unter die Lupe genommen. Alle untersuchten Vermeidungsstrategien sind legal, es handelt sich also nicht um Steuerhinterziehung. Die Grünen prangern mit dem Bericht jedoch an, dass die Zara-Mutter nicht dort Steuern zahle, wo sie wirtschaftlich aktiv ist. Jene Länder, wo durch den Modeverkauf tatsächlich Umsätze gemacht werden, würden dadurch um ihre Steuereinnahmen gebracht.

Lizenzzahlungen verringern Gewinn

Am meisten ins Gewicht fällt eine steuerschonende Möglichkeit in den Niederlanden: Inditex-Vertriebsfirmen in ganz Europa zahlen demnach Lizenzgebühren für die Verwendung der Markenrechte an Zara und andere Modehäuser des Konzerns. In den Niederlanden werden Einnahmen aus Lizenzgebühren nur mit 15 Prozent versteuert. In anderen EU-Staaten, etwa im Inditex-Hauptsitzland Spanien, ist dieser Satz deutlich höher.

Das niederländische Tochterunternehmen, das die Lizenzgebühren verwaltet, hat laut dem Bericht in den Jahren 2011 bis 2014 einen Nettogewinn von 1,7 Milliarden Euro erwirtschaftet. Folgt man der Argumentation der Grünen, hat das Lizenzkonstrukt den spanischen Staat in diesem Zeitraum um 218 Millionen Euro gebracht. In Deutschland sollen es 25 Millionen Euro sein, in Österreich sechs Millionen.

Hohe Renditen in Niedrigsteuerländern

Allein schon die Konzernstruktur von Inditex sei laut den Studienautoren vielsagend. Die Vertriebsunternehmen der Gruppe haben demnach negative oder nur sehr geringe Renditen abgeworfen. Die nicht ortsgebundenen Konzernteile, die sich etwa um Finanzmanagement, Marketing oder Versicherungen kümmern, verzeichneten dagegen Renditen zwischen 20 und 70 Prozent. Alle seien in den Niederlanden, Irland oder der Schweiz ansässig, in denen geringe Steuern anfallen.

Vor dem Inditex-Bericht haben die Grünen heuer auch schon die Steuervermeidung beim Möbelkonzern Ikea und dem Chemieriesen BASF untersucht. Alle diese Fälle zeigten, heißt es in dem Bericht, wie sich Konzerne mit ihren Niederlassungen nach den Steuerraten in verschiedenen Ländern richten. So würden sie von der fehlenden Harmonisierung der europäischen Steuersysteme profitieren.

Gewinner seien nicht nur die Konzerne selbst, sondern auch die Staaten, die großzügige Steuerregeln gewähren. Auf der Verliererseite stünden Klein- und Mittelbetriebe sowie Bürger, die diese Regeln nicht in Anspruch nehmen können. Für die anderen EU-Mitgliedsstaaten bedeute dies außerdem, dass ihre staatlichen Einnahmen schrumpfen oder der Entgang durch andere Steuern kompensiert werden muss.

Mehr Transparenz gefordert

Als Konsequenz pochen die Grünen auf ein Ende der derzeit legalen Vermeidungspraktiken bei Unternehmenssteuern. Zu den seit langem diskutierten konkreten Forderungen gehört etwa die verpflichtende länderweise Berichterstattung. Darin sollen die wichtigsten Daten zur Geschäftstätigkeit im jeweiligen Land öffentlich einsehbar sein. Konzerne müssten also transparent machen, wie viel Gewinn sie in einem Staat einfahren und wie viel Steuern sie darauf entrichten.

Ebenfalls auf der Wunschliste: Eine Veröffentlichungspflicht für Steuervorbescheide, die Staaten mit Konzernen ausverhandeln; ein Set aus einheitlichen Regeln, nach denen sich die zu versteuernden Gewinne eindeutig feststellen lassen; ein Schlüssel, nach dem sich diese Gewinne den Ländern zuordnen lassen, in denen multinationale Konzerne tatsächlich tätig sind, sowie eine EU-weit gültige Untergrenze für Steuersätze auf Unternehmensgewinne. (smo, APA, 8.12.2016)