Bild nicht mehr verfügbar.

Aktuell gibt es für Frauenrechtsaktivistinnen wenig Anlass für Optimismus: Die Zukunft ist widerwärtig, steht auf dem Transparent.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/SPENCER PLATT

"Weil Frauenrechte Menschenrechte sind" – dieser simple Leitsatz steht über dem "Women's March on Washington", der am 21. Jänner zehntausende Frauen und solidarische Männer in die US-amerikanische Hauptstadt bringen soll. Der Präsident der Vereinigten Staaten heißt dann bereits Donald Trump – am 20. Jänner findet die Vereidigung des überraschenden Wahlsiegers statt. Über 130.000 Menschen haben auf Facebook ihre Teilnahme am Protestmarsch angekündigt, um der Weltöffentlichkeit und vor allem der neuen Regierung als solidarisch geeinte Zivilgesellschaft gegenüberzutreten.

Der Ablauf der Veranstaltung ist allerdings nach wie vor unklar, der Zugang zum geschichtsträchtigen Lincoln Memorial wurde dem Women's March kürzlich untersagt. "Frauen aller Gesellschaftsschichten kommen zusammen – so sieht Widerstand aus. Das rassistische System in diesem Land infrage zu stellen, geht weit über Trump hinaus", zitiert die "Huffington Post" Carmen Perez, eine der verantwortlichen Organisatorinnen.

Angry white man

Feministische Initiativen erleben seit der Präsidentschaftswahl im November regen Zulauf. Dass die amerikanische Bevölkerung nicht die erste Frau, sondern einen angry white man in das höchste Amt des Staates gewählt hat, sorgte vielerorts für Entsetzen. "Ich denke, viele von uns waren überrascht. Ich bin seit fast zehn Jahren feministisch aktiv, und dass jemand wie Donald Trump die Wahl gewinnen könnte, erschien mir zu ungeheuerlich, um wahr zu werden", erzählt Autorin und Aktivistin Carmen Rios, die in Los Angeles lebt.

Trump verdankt seinen Sieg indes nicht nur Männern: 52 Prozent der weißen Frauen stimmten Exit Polls zufolge für ihn, Hillary Clinton konnte in dieser Gruppe nur 43 Prozent der Wählerinnen für sich gewinnen. Die Unterstützung der Republikanischen Partei durch weiße Frauen ist allerdings kein neues Phänomen – 2012 stimmten sogar 56 Prozent von ihnen für Obamas Herausforderer Mitt Romney. "Ich finde es bemerkenswert, dass weiße Frauen nun als Sündenbock herhalten müssen, während Männer aus dem Blickfeld geraten sind", sagt dazu Carmen Rios.

Intersektionaler Feminismus

Dennoch: Auch unter Feministinnen wird seit der Wahl verstärkt darüber diskutiert, wie Solidarität unter Frauen aussehen kann. "Der Triumph Donald Trumps macht das Scheitern vieler Dinge deutlich. Eines davon ist weißer Feminismus", schreibt Tamara Winfrey Harris in ihrer Onlinekolumne beim feministischen Magazin "Bitch". Die Autorin bezieht sich dabei auf einen massentauglichen Feminismus, den eine kapitalistische Agenda, ein Hang zum Personenkult und der Fokus auf die Bedürfnisse weißer, heterosexueller Frauen aus der Mittelschicht kennzeichne. Auch der "Women's March on Washington" stand bereits aufgrund fehlender Inklusivität in der Kritik. Die Initiatorinnen der Veranstaltung – überwiegend weiße Frauen – hatten ursprünglich zum "Million Woman March" aufgerufen und damit ein Stück afroamerikanischer Geschichte vereinnahmt. 1997 demonstrierten unter diesem Titel schwarze Aktivistinnen in Philadelphia unter anderem gegen eben jenen Feminismus, der die Lebensrealitäten vieler Frauen ausblende.

Ein- und Ausschlüsse

Dass der Protestmarsch im Jänner dezidiert People of Color, Lesben, Schwule und Transpersonen, Menschen mit Behinderung, MuslimInnen sowie Menschen aller Glaubensrichtungen einschließen soll, wurde mittlerweile vom Organisationsteam klar kommuniziert. Mit Tamika D. Mallory, Carmen Perez und Linda Sarsour konnten außerdem drei prononcierte Menschenrechtsaktivistinnen als Co-Vorsitzende gewonnen werden.

"Die Frage, wen Feminismus ein- oder ausschließt, ist untrennbar mit der Geschichte feministischer Bewegungen verbunden. Klar ist, dass die Zukunft des Feminismus nur intersektional sein kann", sagt Sarah Mirk, Onlineredakteurin beim in Portland beheimateten "Bitch"-Magazin. Den Wahlsieg Trumps beschreibt auch sie rückblickend als Schockerlebnis, ihr zweiter Gedanke habe jedoch bereits künftigen, widerständigen Strategien gegolten. "Ich dachte: Ich muss mich sofort an die Arbeit machen", erinnert sich Mirk an den Abend des 8. Novembers.

Schreckgespenst Identitätspolitik

Außerhalb feministischer Kreise hat sich in den USA indes eine Diskussion um "Identity Politics" entsponnen, die Hillary Clinton angeblich den Sieg gekostet hätte. Mark Lilla, Professor an der Columbia University, veröffentlichte Mitte November einen Text in der "New York Times", in dem er unter dem Titel "The End of Identity Liberalism" einen "strategischen Fehler" Clintons beklagte. Diese hätte im Laufe des Wahlkampfs AfroamerikanerInnen, Latinos, LGBT-Personen und Frauen adressiert – aber eben nicht alle gesellschaftlichen Gruppen explizit angesprochen.

Die als "Whitelash" bezeichnete These, dass Trump ökonomische Benachteiligung schlichtweg erfolgreich in Rassenhass umgewandelt habe, sei für Linke ein bequemer Weg, die eigene Obsession für Diversität auszublenden. Diese Obsession wiederum habe die weiße, religiöse Landbevölkerung dazu gebracht, sich selbst als benachteiligte oder bedrohte Gruppe wahrzunehmen – so der Befund Lillas. Bernie Sanders, der sich bei den demokratischen Vorwahlen geschlagen geben musste, richtete bei einem Auftritt in Boston seiner Partei aus, sie müsse über einen engen Fokus auf Identity Politics hinausgehen und die Probleme der Arbeiterklasse ernst nehmen. Seine Rede beinhaltete auch eine alte feministische Weisheit: Frausein ist noch kein Programm.

Was Progressive, die wahlweise gegen Identitätspolitik oder Political Correctness wettern, jedoch gerne übersehen, sind die vielschichtigen Überschneidungen sozialer Kategorien. "Natürlich sind Fragen ökonomischer Gerechtigkeit zentral, aber sie sind eng verflochten mit Fragen von Rasse, Geschlecht, Sexualität und Nationalität", sagt Carmen Rios. Sogenannte Identity Politics seien wichtiger denn je, ist die Aktivistin überzeugt: "Identity Politics haben die USA im vergangenen Jahrhundert vorwärts gebracht – die Bürgerrechtsbewegung, Feminismus, die LGBTQ-Bewegung. Wenn etwas den Sieg Trumps ermöglicht hat, dann Rassismus und Sexismus."

Kampfansage und die Angst vor dem Backlash

Auch Sarah Mirk kann der aktuellen – "scheinheiligen" – Debatte nichts abgewinnen. "Identitätspolitiken sind immer schon Teil unserer Geschichte. Die USA basieren auf einem rassistischen Gesellschaftssystem, Sklaverei und den Ideen weißer, wohlhabender Männer", sagt die Feministin. Die Liste der Themen, die Mirk ernsthafte Sorgen bereiten, während der zukünftige Präsident sein Kabinett zusammenstellt, ist lang: Rechte von ImmigrantInnen und LGBT-Personen, Gesundheitsversorgung, Klimapolitik und das Recht auf Abtreibung – Errungenschaften in all diesen Bereichen könnten unter einer Präsidentschaft Trumps gefährdet sein.

Auch der Blick über die USA hinaus birgt für Frauenrechtskämpferinnen aktuell wenig Anlass für Optimismus. Rechte Rhetorik, die Gender Mainstreaming als zu tilgendes Übel versteht und rassistische Ressentiments befördert, hat sich in den vergangenen Jahren in zahlreichen europäischen Staaten als politisches Erfolgsrezept erwiesen. Aktivistin Carmen Rios will Gefühle von Hoffnungslosigkeit dennoch gar nicht erst aufkommen lassen: "Die politischen Entwicklungen werden uns sehr viel Energie abverlangen, allein, um für den Erhalt erkämpfter Rechte einzutreten. Aber jede Bewegung kennt Siege und Rückschläge. Wir werden auf jeden Fall wachsam und widerständig bleiben." (Brigitte Theißl, 11.12.2016)