Dreimäderlhaushalt – oder doch nicht: Elle Fanning, Naomi Watts und Susan Sarandon.

Foto: Tobis Film

Wien – Die Geschichte der Übertragung fremdsprachiger Filmtitel ins Deutsche ist eine voller meist unglücklicher Missverständnisse. Auch bei Gaby Dellals Tragikomödie Alle Farben des Lebens, die auf Ausländisch noch About Ray hieß, möchte man sich erst einmal die Stirn betätscheln, scheint der Titel in seiner vagen Poesie doch direkt aus Cecelia Aherns Ablage verworfener Schnulzen gefischt. Tatsächlich gelingt es dem deutschen Verleih so allerdings, falsche Erwartungen gar nicht erst entstehen zu lassen.

Golden ist die Farbe des Lichts, welches das New York der erzählten Geschichte durchstrahlt. Hier wohnt der sechzehnjährige Ray mit seiner Mutter Maggie, seiner Großmutter Dodo sowie deren Lebensgefährtin Honey – und ist ein Gefangener seines Körpers. Denn Ray heißt offiziell Ramona und sehnt sich seit Jahren nach einer Geschlechtsangleichung.

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Nun soll endlich mit der Hormontherapie begonnen werden, alles, was noch fehlt, ist die Einwilligung der Eltern. Das ist doppelt problematisch, denn einerseits befallen Maggie gelegentlich Zweifel, ob es sich bei der Transsexualität ihres Kindes nicht um eine bloße Phase handelt, andererseits ist Rays Erzeuger seit Jahren von der Bildfläche verschwunden. Die trockenen Kommentare Dodos, die Tochter und Enkel früher oder später gerne aus dem Haus hätte, wirken zudem nur selten deeskalierend.

Seifenopernprobleme

Rays Wunsch nach einem Leben im richtigen Körper ist so lediglich Movens einer Handlung, als deren tatsächliches Ziel eine traditionelle Familie und als deren Zentrum zunehmend Maggie erkennbar wird. Das ist insofern bedauerlich, als Maggies Probleme aus einer mittelguten Seifenoper zu stammen scheinen, während die auch in Zeiten von Caitlyn Jenners Vanity-Fair-Cover wesentlich interessantere Lebensrealität Rays kaum aufscheint. Man sieht seine Probleme mit öffentlichen Toiletten, wie er mit Freunden beim Skatepark Mädchen nachschaut oder allein seinen Oberkörper trainiert. Regisseurin Gaby Dellal belässt es aber bei diesen kurzen Szenen, die Ray teils selbst für ein Filmprojekt schneidet, um sich gleich wieder Maggies Zögern hinzugeben.

Zwischen den drei Generationen unter dem am New Yorker Immobilienmarkt sicher sehr begehrten Dach ist zudem grundsätzlich alles eitel Wonne. Selbst wenn Oma Dodo noch nicht ganz verstehen will, warum Ray nicht einfach lesbisch sein kann, hat diese Bilderbuch-Bohème-Familie die Geschlechtsidentität ihres Sprosses bereits vor dem Einsetzen der Handlung ausdiskutiert.

Herz-Schmerz-Sauce

Was einen mit der von einigen vergessenswerten Szenen und Dialogen vorangeschaukelten Suche nach Rays Vater noch einigermaßen versöhnen kann, sind die Schauspielerinnen. Elle Fannings Ray ist ein in sich gekehrter Schlaks, dessen seltene Ausbrüche umso intensiver ausfallen, Naomi Watts drückt als Maggie im entscheidenden Moment auf die Tränendrüse, Susan Sarandon sorgt mit großmütterlicher Lästerzunge für humorige Momente.

Auch das in den letzten Jahren immer stärker in die Mainstreamkultur diffundierende Thema der Transsexualität hätte einen besseren Film verdient. Einen, der sich um Wahrhaftigkeit bemüht, statt zu einer lauwarmen Herzschmerz-Sauce zu verlaufen. (Dorian Waller, 10.12.2016)