Wien – 15 Prozent der heimischen Industrieunternehmen geben an, in den kommenden fünf Jahren Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagern zu wollen. Das geht aus einer Befragung des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) unter 300 großen Industriefirmen hervor. Im Zentrum der Verlagerungspläne steht die Fertigung. Bei anderen Bereichen, etwa Finanzen, Kundendienst und Wartung oder Entwicklung und Forschung, denken weniger als fünf Prozent an Auslagerungen.
Grund für die angedachten Verlagerungen im produzierenden Bereich sind laut Wifo-Ökonom Werner Hölzl nicht nur die geringeren Löhne im Ausland. "Die großen Verlagerungen aufgrund des Kostendrucks sind bereits im letzten Jahrzehnt erfolgt. Produktionsverlagerung kann aber auch Ergebnis von Wachstum sein. Unternehmen ersetzen Exporte durch Fertigung in den Zielländern. Diese offensive Verlagerung führt oft dazu, dass in Österreich neue Jobs entstehen, etwa bei Forschung und Entwicklung oder der Fertigung spezialisierter Komponenten", so Hölzl zum STANDARD.
Nähe zu neuen Absatzmärkten
Auch für Ulrich Schuh, den scheidenden Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, sind die Angaben der Industriellen weder überraschend noch alarmierend. Nicht die niedrigeren Produktionskosten seien heute hauptverantwortlich für Verlagerungen, sondern der Bedarf nach Nähe zu neuen Absatzmärkten. "Manche Weltregionen schotten sich tendenziell ab, es besteht die Gefahr von Protektionismus und neuen Zöllen", so Schuh. Für Unternehmen sei es daher strategisch vernünftig, in Märkten zu investieren, in denen sie ihre Produkte vertreiben.
Auch bei der Einschätzung, dass die Zeit umfangreicher Verlagerungen ins Ausland Geschichte ist, sind sich beide Ökonomen einig. Statistiken zeigten, dass die Dynamik der Jahre um die EU-Osterweiterung 2004 mit der Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich abgenommen hat, so Schuh.
Bürokratie erregt Unmut
Dass Unternehmer trotzdem immer wieder mit dem Gang ins Ausland spekulieren, könnte auch mit ihrer chronischen Unzufriedenheit mit der Verwaltung zu tun haben. Besonders wenig Zustimmung erntet der Staat laut der Wifo-Studie bei Steuereinhebung und Steuerprüfung durch das Finanzamt sowie bei Bestimmungen zur Arbeitssicherheit und Arbeitsplatzregulierung (siehe Grafik). Wenig überraschend wünschen sich 92 Prozent der Industriellen flexiblere Arbeitszeiten, 88 Prozent fordern eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote.
Ob Österreich überreguliert ist, wie die Antworten der Industriellen nahelegen, darüber lässt sich laut Hölzl kein allgemeines Urteil fällen: "Um die Sinnhaftigkeit von Auflagen zu beurteilen, muss man ins Detail gehen. Viele sind abhängig von der jeweiligen Branche. Ein Chemiebetrieb, der mit Umweltgiften arbeitet, hat ganz andere Vorgaben als eine Tischlerei."
Tadel und Lob für die Verwaltung
Problematisch seien Regulierungen dann, wenn sie sich überschneiden oder widersprechen. Als Beispiel nennt er Betriebsanlagegenehmigungen, an denen mehrere Stellen beteiligt seien, ohne auf dieselben Informationen zugreifen zu können. "Ohne Rechtsanwalt kommt man da nicht durch. Und Unternehmer haben das Gefühl, dass immer mehr auf sie zukommt", so Hölzl.
In einigen Bereichen erntet die Verwaltung hingegen auch Lob: 47 Prozent der Befragten sind mit den Leistungen bei Import und Export zufrieden, 39 Prozent mit der Forschungsförderung. (Simon Moser, 9.12.2016)