Merkwürdig ist die Geschichte allemal: Südkoreas vom Volk gewählte Präsidentin Park Geun-hye, Tochter des Exdiktators, soll unter Einfluss ihrer engen Freundin Choi soon-sil gestanden sein. Diese ist Tochter eines Sektenführers und von niemandem gewählt. Trotzdem bekam sie Einblick in geheime Dokumente – in einem Land, das Zentrum eines der gefährlichsten geopolitischen Konfliktherde ist. Glaubt man Vorwürfen, traf sie für Park sogar Entscheidungen – etwa jene, auf Nordkoreas Atomtest mit der Schließung des Industrieparks Kaesong zu reagieren. Außerdem profitierte sie ökonomisch.
Das sind schwere Vorwürfe, und sie müssen untersucht werden. Eine große Mehrheit der Abgeordneten hält sie für glaubhaft und hat Park daher entmachtet. Ein geordneter Übergang wäre besser gewesen. Aber im Grundsatz ist die Entscheidung realpolitisch vernünftig – allein schon, weil Park nur noch von vier Prozent der Koreanerinnen und Koreaner unterstützt wird. So kann man kaum regieren.
Trotzdem machen Südkoreas Politiker es sich leicht, wenn sie nun allein Park zur Schuldigen erklären. Es ist schwer zu glauben, dass die massive Beeinflussung Parks allen, die nun empört sind, erst dann plötzlich auffiel, als Medien im Oktober darüber schrieben. Regierung und Opposition haben bisher gleichermaßen vom System profitiert, das es der Präsidentin erlaubt, Firmen zu Spenden für eine Freundin zu drängen. Nun müssen sie es reformieren. (Manuel Escher, 9.12.2016)