Der Protest der Ärzte richtet sich gegen geringere Gesundheitsausgaben und die geplanten Primärversorgungszentren.

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Wien – Die Politik wendet sich angesichts der von der Ärztekammer angekündigten Proteste gegen die Gesundheitsreform direkt an die Mediziner. In einem Brief an alle rund 22.000 niedergelassenen Ärzte wird den Hausärzten versichert, dass sie weiterhin eine zentrale Rolle spielen werden und dass die niedergelassenen Ärzte weiter zentraler Bestandteil der Gesundheitsversorgung bleiben.

Man wolle neue Modelle der Primärversorgung fördern, wenden sich Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ), Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) sowie die Spitzen der Sozialversicherung und Ländervertreter direkt an die Hausärzte. "Das können Zentren sein oder Netzwerke, wo mehrere HausärztInnen im Team mit anderen Gesundheitsberufen in einem organisatorischen Verbund miteinander kooperieren. Klar ist: Auch bei diesen neuen Modellen werden HausärztInnen eine zentrale Rolle spielen", heißt es in dem Brief.

Bessere Arbeitsbedingungen

Die Primärversorgung bringe auch "bessere und modernere Arbeitsbedingungen: die Möglichkeit zum Austausch im Team, leichtere Vertretungs-Regelungen und familienfreundlichere Arbeitszeiten", werden auch die Vorteile für die Ärzte hervorgestrichen.

"Die niedergelassenen ÄrztInnen – ob in Einzelordinationen oder Gruppenpraxen – bleiben nach wie vor zentraler Bestandteil der Gesundheitsversorgung. Niemand wird wegen der gesetzlichen Änderungen seinen bzw. ihren Kassenvertrag verlieren. Auch an der freien ÄrztInnenwahl wird sich nichts ändern", versichert die Politik den Ärzten.

Dank für wertvolle Arbeit

In dem Schreiben, mit dem die Politik den Ärzten "Informationen und Klarstellungen bieten" will, wird auch darauf verwiesen, dass etwa zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Gesundheitsversorgung ausgegeben werden. "Auch in den kommenden Jahren werden die Ausgaben steigen. Das ist gut so. Mit den Mitteln muss aber verantwortungsvoll und effizient umgegangen werden."

Die Politik dankt in dem Brief den Ärzten ausdrücklich für ihre "wertvolle Arbeit" und wünscht "alles Gute für Ihre weitere ärztliche Tätigkeit und eine schöne Weihnachtszeit". Unterzeichnet haben das Schreiben neben Oberhauser und Schelling auch die Verbandsvorsitzende im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, Ulrike Rabmer-Koller, und die Vorsitzende der Trägerkonferenz, Ingrid Reischl, sowie die beiden Landesräte Christopher Drexler (Steiermark) und Bernhard Tilg (Tirol) als derzeitige und künftige Vorsitzende in der Landeshauptleutekonferenz.

"Bewusste Falschinformation"

Kärntens Gesundheitslandesrätin Beate Prettner (SPÖ) hatte Montagvormittag scharfe Kritik an dem für Mittwoch angekündigten Ärztestreik geübt. Aktionen sind dazu in allen Bundesländern geplant – in Wien, Kärnten und dem Burgenland bleiben die Ordinationen der Hausärzte geschlossen. Die Ärztekammer verbreite im Zusammenhang mit den geplanten "Primary Health Care (PHC) – Zentren" bewusste Falschinformationen, sagte Prettner bei einem Pressegespräch. Es sei "in keinster Weise" daran gedacht, den klassischen Hausarzt abzuschaffen.

Der Hausarzt bleibt

"Der Hausarzt bleibt, und es wird auch nicht weniger Kassenverträge für Allgemeinmediziner geben", unterstrich Prettner. Sechs solcher Primärversorgungszentren seien für Kärnten geplant, und dafür gebe es sechs zusätzliche Kassenverträge. "Eine weitere Falschinformation ist die Behauptung der Ärztekammer, es werde weniger Geld für das Gesundheitssystem geben, das ist ein dezidierter Blödsinn." 2014 habe Österreich 27 Milliarden Euro in diesem Bereich ausgegeben, bis 2021 würden es 4,6 Milliarden mehr sein. Prettner: "Das Ganze erweckt den Eindruck, dass die Ärztekammer bewusst eine Lösung blockiert."

Helgard Kerschbaumer von der Kärntner Gebietskrankenkasse wies die Vorwürfe der Ärztekammer ebenfalls zurück. Es sei nicht im Entferntesten daran gedacht, das Hausarztsystem abzuschaffen oder jemandem den Vertrag wegzunehmen. Aber die Verhältnisse hätten sich geändert, viele junge Mediziner würden nicht mehr als "Einzelkämpfer" unterwegs sein wollen, sondern lieber Kooperationen eingehen. Daher müsse man auch neue Angebote entwickeln, um die Versorgung sicherzustellen. Dazu gehörten eben auch die PHC-Zentren. Im ländlichen Bereich könne es statt solcher Zentren aber auch Netzwerke geben. "Wir wollen die Zentren mit den Ärzten realisieren", betonte Kerschbaumer.

Der österreichweite Protest richtet sich vor allem gegen die geringere Steigerung der Gesundheitsausgaben und gegen die Möglichkeit zur Errichtung von Primärversorgungszentren.

Im Notfall ein Arzt in der Region erreichbar

In Kärnten sind alle rund 850 niedergelassenen Ärzte zum Streik aufgerufen, der den ganzen Tag dauern soll. "Aus meinen Rückmeldungen gehe ich davon aus, dass sehr viele mitmachen werden", sagte Gert Wiegele, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte, auf APA-Anfrage. Im Notfall werde aber in den Regionen ein Arzt erreichbar sein, das sei organisiert. Wiegele geht davon aus, dass die Teilnahme unter den Fachärzten etwas niedriger sein werde, weil diese vielfach schon Termine am Mittwoch vereinbart hätten, nach denen sie sich richten müssten.

Im Burgenland bleiben die Ordinationen aufgrund des Streiks der Hausärzte am Mittwoch ab 12 Uhr Mittag geschlossen. Der ärztliche Notdienst werde aufrechterhalten, teilte die Ärztekammer mit. Ab 15 Uhr ist eine Informations- und Protestveranstaltung in Eisenstadt geplant. Weiters werden die ganze Woche über Info-Flyer an die Patienten verteilt.

Am lautesten sind die Wiener Ärzte

Am lautesten protestierte bisher die Wiener Ärztekammer, ihre konkreten Pläne für Ordinationsschließungen in der Bundeshauptstadt will sie noch am Montag in Laufe des Tages vorstellen (siehe eigene Meldung nachmittags). Die Gebietskrankenkasse hat bereits angekündigt, mit der Ausweitung der Öffnungszeiten ihrer Gesundheitseinrichtungen auf den Streik zu reagieren: Die allgemeinmedizinischen und internistischen Ambulanzen der vier Gesundheitszentren der WGKK sind am Mittwoch von 7.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Auch das Hanusch-Krankenhaus verstärkt an diesem Tag seinen Ambulanzbetrieb. Die WGKK-Einrichtungen stehen Versicherten aller Kassen offen.

Die NÖ Ärztekammer macht Mittwoch auf ihr Volksbegehren "SOS Medizin" aufmerksam – Flugblätter sollen u.a. vor Krankenhäusern und in Fußgängerzonen in Amstetten, Mistelbach und Wiener Neustadt verteilt werden. Eine Empfehlung an die niedergelassenen Ärzte im Bundesland, am Aktionstag die Ordinationen zu schließen, gibt es von der NÖ Ärztekammer nicht. Mitglieder sind dazu aufgerufen, Patienten über das Volksbegehren zu informieren.

Folder und Plakate

In Oberösterreich ist am Mittwoch ein Aktionstag geplant. Die oö. Ärztekammer hat die niedergelassenen Mediziner mit Foldern und Plakaten versorgt, damit sie ihre Patienten informieren können. In der Kürze sei es nicht möglich gewesen, einen Streiktag zu organisieren, hieß es auf APA-Anfrage. Man behalte sich diese Möglichkeit aber weiter vor. In Oberösterreich droht die Ärztekammer wie in der Steiermark mit einem Ausstieg aus dem Gesamtvertrag.

Die steirischen Ärzte zeigen sich am Mittwoch solidarisch mit den streikenden Kollegen in anderen Bundesländern, haben ihre Praxen jedoch offen. "Noch", wie betont wird, denn das Motto am Mittwoch in den Praxen der Grünen Mark lautet "Geöffnet. Noch." Seit vergangener Woche hängen rund 100 Plakate bei den Medizinern, auf denen auf die Aktion aufmerksam gemacht wird. Außerdem liegen die bundesweiten Folder auf. Der steirische Ärztekammerpräsident Herwig Lindner will dadurch "Seite an Seite mit unseren Patienten Regierung und Parlament wachrütteln".

Information statt Streik

Salzburgs Ärzte werden am Mittwoch ihre Patienten und die Öffentlichkeit allgemein über die Auswirkungen der Gesundheitsreform informieren. Man werde mit Foldern, Plakaten und im persönlichen Gespräch darauf hinweisen, dass es zwar nicht zum Verfall des Gesundheitssystems komme, aber dass es Folgen haben werde, wenn man neue Medizin sukzessive nicht ausreichend finanziere, sagte der Salzburger Ärztekammerpräsident Karl Forstner. An Streik wird in Salzburg laut Forstner vorerst nicht gedacht, weil damit vornehmlich jene Menschen getroffen würden, die von den Sparmaßnahmen betroffen seien und die man deswegen informieren wolle.

Keine unangenehmen Auswirkungen für Patienten hat der Aktionstag der Ärztekammer in Vorarlberg. Im äußersten österreichischen Westen wird es keine Protestaktionen seitens der Ärzte wie etwa Ordinationsschließungen geben. Stattdessen findet am Nachmittag (Einkaufszentrum Messepark in Dornbirn, 14.00 bis 16.00 Uhr) eine Informationsveranstaltung statt.

Auch in Tirol wird es am Mittwoch keine expliziten Streikmaßnahmen geben. Bei der Tiroler Ärztekammer sprach man vielmehr von einem "Informationstag". In den Ordinationen soll Informationsmaterial ausgeteilt werden, hieß es seitens der Ärztekammer auf APA-Anfrage. Aktionen im öffentlichen Raum seien für Mittwoch jedoch nicht geplant (APA, 12.12.2016)