Die Gräber einiger Seeleute der Franklin-Expedition auf Beechey Island in der kanadischen Arktis.

Ansgar Walk

North Saanich/Wien – Sie gilt wegen ihres dramatischen Scheiterns als eine der legendärsten Expeditionen der Geschichte: John Franklin und seine Mannen machten sich 1845 auf den Weg, um die Nordwestpassage zu erkunden. Doch die Suche war vergeblich, und alle 130 Mitglieder der Expedition starben. Warum, war lange ungeklärt.

Die Tragödie der Besatzung der HMS Erebus und der HMS Terror (ausgerechnet!) wurde in den vergangenen 170 Jahren zum Thema zahlreicher Romane. Am berühmtesten ist wohl "Die Entdeckung der Langsamkeit" des deutschen Schriftstellers und Historikers Sten Nadolny. Dessen Beschreibung von Franklins Leben und Sterben aus dem Jahr 1983 musste damals freilich noch ohne wissenschaftliche Klärung der Todesursachen auskommen.

Die folgte erst Jahre danach: Chemische Analysen der Gebeine legten nahe, dass die Männer an Bleivergiftungen litten: die Konservendosen waren womöglich schlecht verlötet gewesen. Offensichtlich ist freilich auch, dass es unter den nur wenige Monate lang Überlebenden zunächst auch noch zu Kannibalismus gekommen sein dürfte.

Ein Fingernagel als Indizienbeweis

Schien der buchstäbliche "Cold Case" – die Tragödie spielte sich in der kanadischen Arktis ab – seit einigen Jahren gelöst, so wartet Jennie Christensen von der kanadischen Firma TrichAnalytics, die auf gerichtsmedizinische und ökologische Analysen spezialisiert ist, mit einer neuen Theorie auf: Die Forscherin hat mit ihrem Team den Fingernagel eines Opfers analysiert und fand zwar auch überhöhte Bleispuren.

Wie Christensen im "Journal of Archaeological Science" berichtet, dürfte die Bleivergiftung aber womöglich nur eine Sekundärerscheinung zum dramatischen Zinkmangel gewesen sein, der letztlich für die Tragödie gesorgt habe. Zinkmangel kann nämlich zu einer ausgeprägten Immunschwäche führen. Und in Kombination mit Unterernährung führt dieser Mangel zu ganz ähnlichen Symptomen wie eine Bleivergiftung. (tasch, 12.12.2016)