Wien – Sieben in Österreich tätige Wissenschafter erhalten einen "Consolidator Grant" des Europäischen Forschungsrats (ERC). In Summe bekommen 314 Personen den jeweils mit bis zu zwei Millionen Euro dotierten Förderpreis, gab der ERC am Dienstag das Ergebnis der aktuellen Antragsrunde bekannt. Die Förderung soll den Preisträgern ermöglichen, ihre Position als eigenständige Forscher zu konsolidieren.

Die meisten der Preisträger (58) arbeiten in Großbritannien, 48 in Deutschland, 43 in Frankreich und 29 in den Niederlanden. Die EU fördert über den ERC Grundlagenforschung in Europa. Vergeben werden "Starting- und Consolidator Grants" für Nachwuchswissenschafter und "Advanced Grants" für etablierte Forscher.

Zwei Preise für das IST Austria

Zwei Förderpreise gehen an Forscher des Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg (NÖ): Der Neurobiologe Simon Hippenmeyer will in seinem Projekt die neuronale Stammzellentwicklung mit einer speziellen genetischen Analysemethode (Mosaic Analyse mit Doppel Marker, MADM) untersuchen. Sein Ziel ist es, damit die grundlegenden Prinzipien der Entwicklung der Hirnrinde zu entschlüsseln, die bei Säugetieren aus einer außergewöhnlichen Anzahl und Vielfalt von Neuronen und Gliazellen besteht.

Die komplexe Wanderung von Zellen während der Embryonalentwicklung, Immunüberwachung oder der Metastasierung von Tumoren steht im Mittelpunkt des ERC-Projekts des Zellbiologen und stellvertretenden IST-Chefs Michael Sixt. Diese Wanderungen werden durch molekulare Lockstoffe organisiert, ihre unterschiedliche Konzentration kann den Zellen die Richtung weisen. Sixt will untersuchen, wie Zellen solche Konzentrationsgefälle erkennen und in gerichtete Bewegung übersetzen.

Andreas Dür, Professor für Internationale Politik an der Universität Salzburg, will mit seinem ERC-Projekt zu einem besseren Verständnis von Handelsverhandlungen zwischen Staaten beitragen. Er wird dabei vor allem den Einfluss von globalen Wertschöpfungsketten auf die Macht von Staaten in diesen Verhandlungen untersuchen.

Neue Hypothesen zur Hochtemperatur-Supraleitung

Neven Barisic vom Institut für Festkörperphysik der Technischen Universität (TU) Wien widmet sich in seinem ERC-Projekt dem noch nicht verstandenen Phänomen der Hochtemperatur-Supraleitung, bei der Materialien bei vergleichsweise hohen Temperaturen Strom ohne Widerstand leiten. Der Physiker hat basierend auf seinen Experimenten mehrere Hypothesen vorgeschlagen, die die aktuellen Paradigmen für das Verständnis der Hochtemperatur-Supraleitung ändern und will nun diese Hypothesen experimentell testen.

Stefan Giljum vom Institute for Ecological Economics der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) will in seinem ERC-Projekt ein geografisch hoch aufgelöstes Modell zur Analyse der weltweiten Rohstoffflüsse vom Ort des Abbaus bis zum Endkonsum der Produkte erstellen. Dadurch soll es möglich sein, Umwelt- und soziale Folgen, die mit der Landwirtschaft bzw. dem Bergbau einhergehen, entlang der internationalen Wertschöpfungsketten zu verfolgen. Giljums Ziel ist es, eine neue empirische Grundlage zu schaffen, um Maßnahmen für nachhaltige und verantwortungsvolle globale Versorgungsketten zu identifizieren.

Wie Enzyme beim Holzabbau wirken

Mit hochauflösenden Methoden will Roland Ludwig vom Institut für Biotechnologie der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien die Aktivität von holzabbauenden Enzymen direkt auf pflanzlichen Zellwänden beobachten und analysieren. Sein ERC-Projekt ist der erste Versuch, die Zusammenarbeit der Enzyme beim Holzabbau unter natürlichen Bedingungen aufzuklären. Die Ergebnisse sollen in der Biomasseverwertung, der industriellen Biokatalyse und bei der Entwicklung von Biosensoren eingesetzt werden.

Aus methodischer Sicht setzt sich Marc Luy vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) mit dem Faktor "Gesunde Lebenserwartung" in seinem ERC-Projekt auseinander. Denn Studien über den Gesundheitszustand in den mit der steigenden Lebenserwartung gewonnenen Lebensjahren und diesbezügliche Unterschiede in Europa und zwischen Bevölkerungsgruppen würden häufig in unterschiedliche Richtung verlaufende Ergebnisse liefern. Luy vermutet hinter diesen Widersprüchen zum großen Teil methodische und technische Gründe. (APA, 14.12.2016)