Die heutige Demonstration der Ärztekammer in Wien.

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Wiener Spitalsärzte protestierten heuer gegen die neue Arbeitszeitregelung, niedergelassene Mediziner lassen nun aus Protest gegen Primärversorgungszentren Ordinationen geschlossen.

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Frage: Welche Ärzte streiken?

Antwort: In Wien, Burgenland und Kärnten kommt es am Mittwoch wegen eines Streiktags zu Ordinationsschließungen. Außerdem haben die Ärztekammern der anderen Bundesländer Informationsaktionen angekündigt. Laut Wiener Kammer haben "mehr als 80 Prozent der Hausärzte" in Wien zugesagt, ihre Ordinationen an dem Tag zuzusperren. In Kärnten sei die Rate unter den Hausärzten ähnlich, hieß es dort. Im Burgenland ging man von einer "hohen Beteiligung" aus. Während in Wien "nur" Allgemeinärzte im niedergelassenen Bereich für einen Tag zusperren, gilt der Streik im Burgenland (ab 12 Uhr) und in Kärnten (am Vormittag) für Allgemeinmediziner und Fachärzte – allerdings kann kein Mediziner dazu gezwungen werden. Bezüglich der Fachärzte war nicht klar, wie viele nicht aufsperren. Laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger sind bis zu 290.000 Patienten betroffen – so viele besuchten demnach voriges Jahr an diesem Tag in den drei Bundesländern einen Arzt.

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Frage: Was soll ich tun, wenn ich am Mittwoch in einem der drei Bundesländer mit Streik einen Arzt brauche?

Antwort: Ein ärztlicher Notdienst bleibt laut den betreffenden Länderärztekammern aufrecht. Details erfährt man im Akutfall über die Telefonnummer 141. Auch der Betrieb in Spitalsambulanzen ist – wenngleich sich die Spitalsärzte laut Bundeskurie voll solidarisch erklärten – ohne Einschränkungen aufrecht und für Notfälle da. Zudem sind in Wien vier Gesundheitszentren der Gebietskrankenkasse von 7 bis 18 Uhr geöffnet.

Frage: Warum streiken die Ärzte?

Antwort: Das Begleitgesetz zum Finanzausgleich soll am Mittwoch im Parlament beschlossen werden. Die Ärztekammer befürchtet, dass die damit im Zusammenhang stehenden geplanten Primärversorgungszentren das bisherige System der Versorgung durch Hausärzte aushebeln könnte und die Ärzte in Zentren zusammengefasst werden, was die wohnortnahe Versorgung gefährde. Die neue Primärversorgung soll die Zusammenarbeit von Ärzten mit Gesundheitsberufen forcieren, in Zentren, aber auch verschiedene vernetzte Standorte sind angedacht. Die Kammer argumentiert, dass das Ende der ärztlichen Freiberuflichkeit und der freien Arztwahl bedeutet. Gewinnorientierte Großkonzerne könnten solche Zentren übernehmen, warnt sie. Das weist der Hauptverband der Sozialversicherungsträger "entschieden" zurück. Seitens des Hauptverbands hieß es zudem stets, dass man die Ärzte als "wichtige Partner im Gesundheitswesen" sehe und gemeinsam Verbesserungen erzielen wolle. Es brauche aber neue Versorgungsformen – das sähen Patienten und auch Ärzte so.

Frage: Sind weitere Streiks geplant?

Antwort: Die Wiener Ärztekammer hat vorab in einem Informationsschreiben festgehalten, dass "dieser Konflikt keineswegs mit 14. Dezember beendet" sein werde. Man werde so lange Kampfmaßnahmen ergreifen, bis "in eine vernünftige Richtung verhandelt" werde. Denkbar sei etwa "eine Ordinationsschließung aller Ärztegruppen im Frühjahr". Oberösterreich überlegt, im Februar zu streiken, sollte keine Einigung auf Landesebene erzielt werden.

Frage: Warum streiken nicht Ärzte aller Bundesländer?

Antwort: Die Ärztekammer ist föderal organisiert, jede Länderkammer beschloss eigene Maßnahmen – aber alle haben klar gegen die Pläne Stellung bezogen. In der Steiermark und in Oberösterreich drohten die niedergelassenen Ärzte damit, die Gesamtverträge mit den Krankenkassen zu kündigen. Mit Protestaktionen will man auch auf das Volksbegehren "SOS Medizin" hinweisen, das von der niederösterreichischen Kammer zum Erhalt ärztlicher Einzelordinationen und Gruppenpraxen ausgerufen wurde.

Frage: Was würde es für die Patienten bedeuten, wenn diese Bundesländer den Gesamtvertrag aufkündigen?

Antwort: Die Patienten müssten dann das Honorar bei ihrem Arztbesuch vorstrecken. Allerdings hätte das eine recht lange Vorlaufzeit, denn die Auflösung der Verträge unterliegt Kündigungsfristen und würde erst eineinhalb Jahre später wirksam werden. Die Kündigung kann nämlich nur halbjährlich erfolgen, also frühestens im Juli 2017. Erst dann würde eine Schiedskommission tagen, die ebenso lange Fristen hat.

Frage: Müssen die streikenden Ärzte mit Konsequenzen rechnen?

Antwort: Arbeitsrechtlich betrachtet sind niedergelassene Ärzte Freiberufler. Sie haben einen Vertrag mit den Krankenkassen, wenn sie streiken, müssen sie daher für eine Vertretung sorgen. Das ist durch den Notdienst abgedeckt. Von den zuständigen Kassen wurden jedenfalls keine Konsequenzen angedroht, heißt es aus dem Hauptverband.

Frage: Wird überprüft, wer seine Ordination an diesem Tag schließt?

Antwort: Welche Ärzte sich an dem Streik beteiligen, kann durch das Stecken der E-Card abgelesen werden. Diese Option will sich die Sozialversicherung vorbehalten. "Es ist das gute Recht des Hauptverbands, zu schauen, ob ein Vertragspartner die Ordination geöffnet hat oder nicht", sagt dazu Bernhard Wurzer, stellvertretender Generaldirektor.

Frage: Dass die Ärzte unzufrieden sind, kann auch der Hauptverband nicht leugnen. Gibt es Pläne, den Ärzten entgegenzukommen?

Antwort: Im weiterer Folge der Gesundheitsreform soll das Honorierungsmodell der Ärzte angepasst werden. Das hängt aber auch stark mit den neuen Primärversorgungsmodellen zusammen. Im Hauptverband verfolgt man die Idee eines Mischsystems zwischen Pauschal- und Einzelvergütungen. Das bedeutet etwa, dass ein Arztbesuch bei einer Grippe als Einzelleistung abgerechnet wird. Geht es aber um die Behandlung einer chronischen Krankheit wie Diabetes, soll eine Pauschale wirksam werden. Wird die Zahl jener Patienten, die sich einer Vorsorgeuntersuchung unterziehen, erhöht, könnte dafür eine Prämie springen. Doch das soll erst im Zuge des Primärversorgungsgesetzes verhandelt werden.

Frage: Für den Ausbau der Primärversorgung sollen 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Woher kommt das Geld?

Antwort: Die Kammer spricht hier von einer "Loch auf, Loch zu"-Politik und fürchtet, dass dieser Betrag von anderen Vorhaben abgezogen wird, um Primärversorgungseinheiten gegenüber anderen Modellen zu bevorzugen. Das weist Wurzer zurück. Dieses Geld werde von Ländern und der Sozialversicherung zur Verfügung gestellt. Natürlich erwarte man sich dadurch langfristig Einsparungen aus dem ambulanten Spitalsbereich. Offen ist hier aber der Schlüssel, wie viel wer zahlt. Das soll projektbezogen geregelt werden. (Marie-Theres Egyed, Gudrun Springer, 14.12.2016)