Die Ärzte rufen um Hilfe. Ihr Berufsstand benötige lebenserhaltende Maßnahmen. Deshalb wird am Mittwoch in Wien, Kärnten und im Burgenland gestreikt. Der Grund: Der Hausarzt ist vom Aussterben bedroht. Das ist das Bild, das die Standesvertretung zeichnet. Die Politik – also Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser gemeinsam mit den Ländern und der Sozialversicherung – will der Bevölkerung ihren Ansprechpartner bei Kopfschmerzen, Krampfadern und Keuchhusten nehmen.

Das ist allerdings eine gewagte Interpretation jener Bund-Länder-Vereinbarung, die im Zuge des Finanzausgleichs die Finanzierung des Gesundheitssystems regelt und diese Woche im Parlament beschlossen wird. Die Primärversorgung soll ausgebaut werden, neue Modelle wie vernetzte Praxen und Zentren werden diskutiert. Sie sollen Spitalsambulanzen entlasten und die medizinische Versorgung auf dem Land sicherstellen. Dass das zulasten der bestehenden Einzelpraxen geht, davon ist im Regierungsentwurf keine Rede. Die Kammer führt keinen Kampf für ihre Ärzte, sondern gegen den Zeitgeist.

Tatsächlich ist eine Reform im Gesundheitsbereich notwendig. Es gibt eine Vielzahl an Kleinspitälern, die für die Region wichtige Arbeitsplätze bieten, aber nicht versorgungswirksam sind. Sie haben bloß eine Placebowirkung für die Bevölkerung und die Lokalpolitik. Wenn eine Knieoperation nur alle paar Wochen durchgeführt wird, ist es für jeden Patienten besser, weiter zu fahren und den Eingriff dort vornehmen zu lassen, wo dieser zur Routine gehört.

Ähnliches gilt auch für den Landarzt. Dieser Beruf repräsentiert einen Lebensentwurf, der für viele Jungmediziner eher abschreckend als erfüllend ist. Dennoch darf die medizinische Versorgung auf dem Land deswegen nicht zur Nebensache werden. Es muss Möglichkeiten geben, die ärztlichen Standards aufrechtzuerhalten, und das funktioniert nun mal gut über Kooperationen: mit anderen Ärzten, mit Krankenpflegern, mit Sozialarbeitern oder Physiotherapeuten.

Denn den Arzt, den die Standesvertretung vorgibt zu schützen, gibt es kaum noch: den Einzelkämpfer, der von Blutabnahme über Verschreibungen, die Betreuung chronisch Kranker bis zur gelegentlichen Sozialhilfe oder Altenpflege alles machen muss. Es ist entscheidend, dass sich der Beruf weiterentwickelt. Wenn sich mehrere Ärzte zusammenschließen oder abstimmen, kann sich der Einzelne spezialisieren und damit auch eine konkretere Betreuung anbieten.

Bis 2025 werden mehr als die Hälfte der Mediziner mit Kassenvertrag das Pensionsalter erreichen. Diese Ärzte werden im System fehlen. Das ist wirklich ein Grund zur Sorge. Bis dahin sollte der Arztberuf wieder für junge Mediziner so interessant sein, dass sie sich bewusst dafür entscheiden. Sie sollen auf den Beruf vorbereitet und nicht abgeschreckt werden. Und wenn immer mehr Ärzte gar keinen Kassenvertrag wollen und lieber als Wahlarzt tätig sind, braucht es auch konkrete Vorschläge der Kammer, wie eine niederschwellige Versorgung für alle geboten werden kann.

Das Schauspiel, das derzeit geboten wird, ist nichts anderes als ein Machtkampf: die Angst der Standesvertretung, Einfluss an die Sozialversicherung zu verlieren. Ihren Ärzten tut sie damit keinen Gefallen. Wenn zusätzliche Modelle in der Primärversorgung geplant sind, ist das eine Chance für die Ärzte und für die Patienten. (Marie-Theres Egyed, 14.12.2016)