Die Rockband Laibach war die erste westliche Musikgruppe, die im totalitären Nordkorea auftreten durfte.

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Der norwegische Künstler Morten Traavik, der in und mit Nordkorea schon einige Projekte verwirklicht hatte, fügte 2015 endlich etwas zusammen, was offensichtlich war: Laibach, die Band, die seit über drei Jahrzehnten mit geradliniger Kopie, Simulation und dem Wiederkäuen der Insignien des Totalitarismus provoziert, um ihn durch Superidentifikation vorzuführen, sollte im totalitärsten Staat der Welt auftreten – als erste westliche Rockband (im weitesten Sinn) überhaupt.

Trailer zu "Liberation Day".
TraavikInfo

Im August 2015 traf Laibach nach mehrmonatiger Vorbereitung in Nordkorea ein und spielte ein paar Tage nach dem "Tag der nationalen Befreiung" tatsächlich in Pjöngjang. Mit dem Film "Liberation Day" wurde dieses Unterfangen dokumentiert, die Vorbereitung eines Auftritts zur Endabwicklung eines Kunstprojekts im Theater der Staatssicherheit. In den Mittelpunkt des Films rückt Traavik selbst, der als One-Man-Show sowohl Regime als auch Band projektmanagt und in Kenntnis der nordkoreanischen Parteimentalität zwischen beiden Welten vermittelt, wechselseitiges Appeasement betreibt und ständig auf beiden Seiten die Grenzen des Machbaren auslotet.

Kommt Kim Jong-un auch zum Konzert?

Der wesentliche Teil der Dokumentation befasst sich mit den Vorbereitungsarbeiten zum Auftritt und beginnt mit dem Eintreffen der Band in Nordkorea. Zu diesem Zeitpunkt darf das Projekt schon als gelungen bezeichnet werden. Laibach hat koreanischen Boden betreten. Das Konzert wird stattfinden. Zumindest theoretisch, denn es wäre nicht Nordkorea, müssten nicht noch bis zum tatsächlichen Auftritt einige technische und diplomatische Hindernisse überwunden werden, um schlussendlich vor nordkoreanischem Publikum auf der Bühne zu stehen.

Wird Kim Jong-un auch kommen? Wie weit wird Laibach gehen, um dem Regime seine Botschaften zu spiegeln? Die Hoffnung oder eher Illusion, ihr künstlerisches Prinzip unerkannt über die Grenze geschmuggelt zu haben, zerschlägt sich aber gleich zu Beginn. Die Einheitspartei hat ihre Hausaufgaben gemacht, hat recherchiert. Man weiß über Laibach und ihre Herangehensweise Bescheid. In Theorie und Praxis. Das Spiel wird mit offenem Visier gespielt. Das Vertrauen, selbiges nicht überzustrapazieren, ist ab jetzt die Basis für die weitere Zusammenarbeit.

Auf eigenen Pfaden unterwegs in Nordkorea

Und genau diese Arbeit der Abwicklung rückt in den Mittelpunkt der Dokumentation: organisatorische Abläufe, Busfahrten, Fotoshootings, der Aufbau und Proben, eingebettet in den Alltag in Pjöngjang. Für einen Mitreisenden, der noch nicht in Nordkorea war, sind die Einblicke in diese verschlossene Welt, deren Abläufe von überlieferten Legenden geprägt sind sowie dessen Sicht der Außenwelt, aber nicht genug.

Ivan Novak, die graue Eminenz im Hintergrund der Band, beschert dem Film einen heimlichen Höhepunkt für Nordkorea-Kenner. Er verlässt den Schutz der Reisegruppe und ihre Reiseführer (Aufpasser) und erkundet den Alltag in Pjöngjang auf eigene Faust. Ein Solo-Wandertag in einem Land, in dem jederzeit erratische Reaktionen der staatlichen Organe auf menschliches Verhalten an sich eintreten können, macht so einen Ausflug tatsächlich zu einem lebensgefährlichen Unterfangen.

"The most significant concert"

"Liberation Day" erlaubt einen nüchternen Blick auf nordkoreanische Verhältnisse. Die erwartbare Zensur im Vorfeld des Auftritts passiert. Nummern werden aus dem Set gestrichen, Visuals an den lokalen Geschmack angepasst – ohne dabei aber auch wirklich jede Provokation von Laibach auszuräumen – Sänger Milan Fras ist bei den Koreanern nicht so beliebt und tritt etwas in den Hintergrund. Beide Seiten handeln einen Kompromiss aus, nähern sich an, und das Schauspiel wird seiner erfolgreichen Endabwicklung zugeführt, konkret einem Publikum aus gelangweilten und interessierten Parteiangehörigen, praktisch allen in Pjöngjang stationierten Diplomaten sowie einer Handvoll Fans, die dieses Ereignis nicht verpassen wollten.

Mit dabei ist einer, dessen "Warm Leatherette" nicht nur von Laibach als "Warme Lederhaut" gecovert wurde, sondern der mit Mute Records auch das Label der Slowenen betreibt, nämlich Daniel Miller. Im Abgleich mit seiner Erfahrung ordnet er ein: "It's probably one of the most – if not the most – significant concerts I've seen since I started." Morten Traavik hat es dokumentiert. (Niko Alm, 16.12.2016)