Wien – "Es geht immer um die Sache. Worum auch sonst? Hier ist nicht der Ort für persönliche Eitelkeiten, Zuständigkeitsdiskussionen und Selbstverwirklichungsdenken", heißt es in einem Punkt des Manifests der Agentur Merlicek & Grossebner.
Nach Auseinandersetzungen haben sich Rosa Haider-Merlicek und Franz Merlicek wie berichtet von Demner, Merlicek & Bergmann getrennt und sich im Juni 2015 gemeinsam mit Lukas Grossebner, Peter Mayer und Jani Newrkla selbständig gemacht. Zeit für eine erste Bilanz.
Offen und intensiver
"In der alten Agentur war vieles Routine, hier ist das Arbeiten freier, aber auch intensiver", sagt Franz Merlicek im Gespräch mit dem STANDARD. Es werde viel mehr diskutiert und das oft sehr ausufernd. "Das ist neu. Früher hat man einen Raum gehabt zum Zumachen". Das Büro in der Wiener Kirchengasse in Wien-Neubau hingegen ist offen und kommt ohne Türen aus.
"Ich hoffe, es passiert das, was mir schon einmal passiert ist. Nämlich, dass man mit Kunden gemeinsam wächst. Wir wollen eine Position haben, die weit über die des Werbelieferanten hinausgeht. Und das muss man sich erkämpfen", beschreibt er die Vision der Agentur.
Merlicek: Marke darf nicht zum Scheidungskind der Kanäle werden
"Eine Anzeige schalte ich nur einmal. Wenn sie interessant ist, wird sie gelesen. Wenn nicht, wird sie auch bei der zweiten oder zehnten Schaltung nicht mehr Aufmerksamkeit finden." zitiert Franz Merlicek Howard Gossage, sein großes Vorbild in den 60er-Jahren. "Mit der Verschiebung der Budgets in Richtung digitaler Medien zeigt sich die Aktualität dieser Weisheit", so Merlicek. Mehr denn je müsse Werbung begeistern, so dass man sie sich nicht nur freiwillig ansieht, sondern die Begeisterung auch teilt. "Die Marke darf nicht zum Scheidungskind der Kommunikationskanäle werden. Jedes neue Schlagwort der letzten Jahre, sei es Content, CMR, Story Telling, Big Data .... brachte Startups auf den Plan, die auf ihre Weise zur Kommunikation der Marke beitragen. Ich begrüße diese Aufgabenteilung, wir arbeiten selbst mit den Besten auf jedem Gebiet zusammen. Aber hier muss es auf Seite der Agentur Menschen geben, die die Marke auch führen können."
Adeg, Peek & Cloppenburg, Greenpeace, Aperol
Merlicek & Grossebner ist 2015 mit 12 Kunden gestartet, dazu gekommen sind unter anderem Adeg, Peek & Cloppenburg, Greenpeace und seit kurzem Aperol. Die Anzahl der Mitarbeiter ist von sieben zum Start auf jetzt 17 gewachsen. Derzeit wird vor allem der Bereich Beratung ausgebaut.
"Unser Ziel ist es, mit Marken wieder groß zu werden. Über Jahrzehnte gemeinsam", sagt Rosa Haider-Merlicek. Den Trend, dass ein Unternehmen mehrere Agenturen beschäftigt, sieht sie skeptisch. "Projektgeschäfte tun ja meistens der Marke nicht gut. In Wahrheit wird da jedes Jahr eine andere Sau durch das Dorf getrieben. Das geht nur dann gut, wenn auf Kundenseite jemand sitzt, der die Marke ganz genau im Blick hat und versteht". Diese Verantwortung dem Kunden abzunehmen sei auch Aufgabe einer guten Werbeagentur.
"Uns ist es lieber, wir holen uns die geeigneten Leute, mit denen wir gemeinsam alle Aufgaben für einen Kunden lösen können als der Kunden holt sich für jede Kommunikations- Aufgabe eine andere Agenturen, wie es derzeit immer mehr zur Tendenz wird", sagt Lukas Grossebner.
Trostpflaster
Manner war vom Start weg dabei – der Salzburger Traditionsschneider Schneiders habe sich von Demner sogar freigekauft, erzählt Franz Merlicek. "Es gehörte natürlich auch Mut dazu, zu uns zu wechseln. Weg von einer großen Agentur hin zu einer Neugründung, von der man nicht weiß, was passiert".
Mittlerweile sei die Agentur aber so gut aufgestellt, dass neue Kunden nicht daran denken, dass sie ein Risiko eingehen könnten. Rosa Haider-Merlicek: "Jetzt sind wir an dem Punkt, dass wir neue Kunden bekommen, die uns mit Freude neue spannende Aufgaben anvertrauen. Das sind Trostpflaster für die Kunden, die man zurückgelassen hat".
Von den Neukunden seien viele aufgrund von Empfehlungen gekommen, aktiv akquiriert habe man kaum. Gerade hat Merlicek & Grossebner wieder einen Pitch gewonnen. Es geht um eine neue Eigenmarke von Rewe, die Kampagne dazu wird im Februar starten.
Über ihre "alte" Agentur reden die Merliceks nicht gern. "Dieses Kapitel ist für uns abgeschlossen. Wir konzentrieren uns lieber auf uns und unsere Arbeit."
Sprache der Politiker übersetzen
Mit Adeg als neuen Kunden hat sich Rosa Haider-Merlicek einen Wunsch erfüllt. "Nach dem Merkur Markt wollte ich unbedingt wieder einen "Kaufmannsladen", sagt sie. Auch eine Bank oder eine Versicherung würde sie gerne betreuen, ebenso einen Drogeriemarkt. Lukas Grossebner wünscht sich einen Kunden aus dem Telekombereich. Für "Genüssliches mit Stil" fühlt sich Franz Merlicek zuständig. Interesse besteht auch an politischen Kampagnen. Rosa Haider-Merlicek: "Ich würde gerne die Sprache der Politiker so übersetzen, dass die Menschen die Inhalte wieder verstehen."
Verlorener Enthusiasmus für den CCA
Ob Merlicek & Grossebner Kampagnen beim Creativ Club Austria oder anderen Werbepreisen einreicht, sei noch nicht entschieden. Realistische Chancen auf einen Preis beim CCA oder auch international sieht Lukas Grossebner für die Manner-Kampagne, Greenpeace oder auch mit Peek & Cloppenburg.
In Richtung CCA sagt er: "Durch die internen Querelen und durch Vetternwirtschaft hat der CCA leider an Stellenwert stark eingebüßt. Für junge Menschen hat es nicht mehr dieselbe Bedeutung eine Venus zu gewinnen, wie noch für mich, als ich angefangen habe. Was schade ist." Franz Merlicek – er hat den Creativ Club Austria mitbegründet – ist zuversichtlich, "immerhin hat der CCA eine Neuausrichtung versprochen". (Astrid Ebenführer, 21.12.2016)