Wenn man seit Jahrzehnten in einem engen, dunklen Loch arbeitet, ist die Chance gegeben, dass man ein eingeschränktes Sichtfeld bekommt. Um dem vorzubeugen, ist es notwendig, immer wieder aus seinem Loch zu kommen und anderes zu sehen. Der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, die an ähnlichen Themen arbeiten, ermöglicht es, die eigene Forschung weiter zu entwickeln und diese in den europäischen Kontext zu stellen.

Eine Einladung nach Cork und Cambridge bot vor kurzem wieder eine derartige Gelegenheit. Katharina Becker von der Universität Cork und Margarita Gleba von der Universität Cambridge gaben uns die Möglichkeit, unsere aktuelle Forschung in und um Hallstatt vorzustellen.

Auf zur Ikone der Montanarchäologieforschung

Das Irische Nationalmuseum in Dublin ist unsere erste Station. Hier haben wir die Gelegenheit, die zahlreichen prähistorischen Holzfunde Irlands endlich im Original zu betrachten. Von Dublin geht es weiter nach Cork. Wir werden gleich neben dem archäologischen Institut einquartiert. Vor unseren Vorträgen am Montag und Dienstag steht am Sonntag noch eine Exkursion am Programm. Gemeinsam mit Billy O'Brien und Katharina Becker ist der Mount Gabriel das Ziel – eine Ikone der Montanarchäologieforschung in Europa. Hier wurden in den 1980er Jahren viele Kupfererzabbaustellen aus dem Zeitraum 1700-1500 v. Chr. von O'Brien untersucht.

Die prähistorischen Bergbaue erstrecken sich über den Rücken des über 400 Meter hohen Berges. Seit dem Ende des Kupferbergbaus haben sich diese Stollen mit Wasser gefüllt oder wurden vom Moor überwachsen. Dadurch liegen perfekte Erhaltungsbedingungen für die Werkzeuge und Einbauten aus Holz vor, die vor 3600 Jahren in den Stollen zurückgelassen wurden. Diese Objekte stellen wichtige Vergleichsfunde für unsere Hallstattforschungen dar.

Der ältereisenzeitliche Altartate-Kessel wurde in einem Moor gefunden und ist im Irischen Nationalmuseum ausgestellt. Er wurde aus Pappelholz gefertigt, die Henkel sind aus Eibenholz.
Foto: Hans Reschreiter
Der Mt. Gabriel ist reich an bronzezeitlichen Bergbauspuren.
Foto: Hans Reschreiter
Unterwegs auf dem Mt. Gabriel.
Foto: Hans Reschreiter
Ziel ist die Besichtigung der bronzezeitlichen Kupferbergwerke.
Foto: Hans Reschreiter

Besuch in einer Currach-Werft

Am Dienstag besuchen wir eine ganz besondere Bootswerft, die auf Fellboote – sogenannte Currachs – spezialisiert ist. Und warum interessieren wir uns für Fellboote? Bisher haben wir keine Anhaltspunkte, wie der Salztransport von Hallstatt in das nördliche Alpenvorland beziehungsweise über die Alpen organisiert war. Wir wissen jedoch, dass wir von vielen Tonnen Salz pro Jahr ausgehen müssen. Wurde das Salz von Menschen oder Tieren getragen? Wurde es mit Schleifen oder einfachen Wagen gezogen? Wie wurde der Wasserweg genutzt?

Für den Wassertransport überlegen wir seit etlicher Zeit die Möglichkeit der Verwendung von leichten Booten auf der Traun. Die leichtesten Wassertransportmittel, die problemlos wieder flussaufwärts gebracht werden können, sind einfache Rundboote und Flöße mit aufgeblasenen Tierbälgen als Auftriebskörper. Durch eine Ausstellung über Fellboote im Volkskundemuseum in Wien wurden wir auf diese Form des Wassertransports aufmerksam. Und im Gespräch mit den Kollegen aus Cork erfahren wir, dass im Zentrum der Stadt sogar eine Werft für unterschiedlichste Arten solcher Boote arbeitet.

Ein Rundboot aus Haselruten und Kuhhaut

Am Dienstagfrüh können wir diese Werft dann besuchen. Dort führt uns Seamus, der Bootsbauer, durch sein Reich. In der Werft stapeln sich bespannte Boote in allen Größen – vom kleinen Rundboot für ein bis zwei Personen zu seetauglichen Fischerbooten für bis zu zehn Mann Besatzung.

Wir sind speziell am kleinen Rundboot interessiert – ein wirklich tolles Boot! Es ist in wenigen Minuten aus Haselruten und einer Kuhhaut gebaut – heute wird stattdessen eine Kunststoffhaut verwendet. Das Boot kann weit über 100 Kilogramm an Last tragen. Es ist für leichtes Wildwasser sehr gut geeignet und wiegt nicht einmal 30 Kilogramm. Durch das geringe Gewicht kann das Boot auch einfach über den Landweg flussaufwärts transportiert werden. Zwei historische Filme (siehe Linkliste) über solche Boote beleuchten eindrücklich den einfachen und genialen Herstellungsprozess, den leichten Transport und die Wildwassertauglichkeit.

Die Bootswerft Meitheal Mara in Cork.
Foto: Hans Reschreiter
Besuch in der Bootswerft und Besichtigung eines Currachs.
Foto: Hans Reschreiter
Was für ein tolles Boot!
Foto: Hans Reschreiter

Hallstatt und der Wasserweg

Für die frühe Neuzeit ist der Transport von Salz über die Traun gut belegt. In prähistorischer Zeit ist die Datenlage schwieriger. Etliche Funde in und entlang der Traun geben einen starken Hinweis auf die Nutzung des Flusses als Verkehrsweg. Bootskonstruktionen vergleichbar den irischen Currachs wären für einen Transport von Salz über die Traun bestens geeignet. Sie sind gut für leichtes Wildwasser, wie die Traun, geeignet. Sie erlauben beträchtlichen Lastentransport. Und nicht zuletzt lässt sich diese Art von Boot, dank der leichten Bauweise, problemlos über den Landweg flussaufwärts zurück nach Hallstatt tragen.

Letzteres ist ein wesentlicher Aspekt, denn das Befahren eines Flusses gegen die Strömungsrichtung ist erst mit einem Motor einfach zu bewerkstelligen. Vor der Verfügbarkeit von Schiffsmotoren mussten Boote per Tier- oder Menschkraft den Fluss hinaufgezogen, gerudert oder gestakt werden. Rudern oder Staken fällt für die Befahrung der Traun aufgrund der starken Strömung aus. So erscheint es durchaus möglich, dass in der Bronze- und Eisenzeit Salz mit Hilfe von Fellbooten über die Traun transportiert wurde.

Auf zur nächsten Station

Am Dienstagabend geht es dann nach einer Führung durch das Archäologische Institut in Cork weiter nach Cambridge. Dort sind wir im Gästehaus des Magdalene College untergebracht. Nach unserem Vortrag am nächsten Tag entspannt sich eine lebhafte Diskussion um Bergbau und prähistorisches Material mit den Kolleginnen und Kollegen. Simon Timberlake von der Early Mines Research Group wird nächstes Jahr unser Ausgrabungsteam für einige Tage verstärken. Er hat in den vergangenen Jahren viele Experimente zu steinzeitlichem und bronzezeitlichen Bergbau gemacht. Ziel seines Besuchs ist die Durchführung von Abbauversuche mit Pickeln, die aus Geweih hergestellt sind. In Hallstatt wurden mehrere solcher Pickel gefunden. Einer konnte mit Hilfe der Radiokarbon-Methode auf 5000 v. Chr. datiert werden.

Wir werden das erste Mal Versuche mit solchen Pickeln durchführen und sehen, ob es möglich ist, in hartem Salz mit solchen Geräten zu arbeiten. Wir gehen mit diesen Experimenten an den Beginn des Salzbergbaus vor über 7000 Jahren – den Ursprung der Saline Hallstatt.

7000 Jahre alter Pickel aus Geweih aus dem Bergwerk Hallstatt.
Foto: Andreas Rausch

Das Pompeji Englands – die Must Farm

Am Institut knüpfen wir noch Kontakt zu den Forscherinnen und Forschern, die mit dem Must-Farm-Projekt beschäftigt sind. Bei dieser außergewöhnlichen Fundstelle handelt es sich um eine nahezu perfekt erhaltene Siedlung der Bronzezeit. Der Fundort Must Farm wird unser Bild bronzezeitlicher Fundkomplexe nachhaltig verändern.

Mehrere Hütten sanken dort vor 3000 Jahren in Folge eines Brandes mit dem gesamten Hausrat in einen Fluss. Die Überdeckung mit extrem feinen Flussschlamm führte zu Luftabschluss und der perfekten Erhaltung dieses Fundensembles. Wegen der außergewöhnlichen Erhaltung wird der Fundplatz auch als das Pompeji Englands bezeichnet. Nach etlichen Tagen voller neuer Eindrücke, neuer Projektideen und neuen Kooperationspartnern verlassen wir die Inseln und fliegen zurück nach Wien. (Hans Reschreiter, Kerstin Kowarik, 15.12.2016)