Die Spekulationen um das Ableben von Rakhat Alijew gehen weiter.

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Wien/Astana – Der Tod des ehemaligen kasachischen Botschafters Rachat Alijew in seiner Gefängniszelle in Wien ruft weitere Spekulationen hervor. Am Donnerstag meldete sich ein früherer Gefängnispsychiater zu Wort. Er zweifelte im ORF-"Morgenjournal" einen Selbstmord an. Die Justiz schließt einen Mord allerdings aus.

Er habe seinen Standpunkt bereits nach dem Tod Alijews "bei der Polizei damals zu Protokoll gegeben" sowie "ein klares Verdachtsmoment gegenüber einem Mitarbeiter der Justiz geäußert", sagte der Psychiater Stefan Zechner, der als einer von mehreren Fachkräften für die Betreuung des Häftlings zuständig war. In einem letzten Gespräch rund zwei Wochen vor Alijews Tod habe dieser gesagt: "Ich habe noch viel vor in meinem Leben." Das lasse nicht auf Suizidabsichten schließen. Alijew habe sich bedroht gefühlt, sei aber "keine suizidgeneigte Persönlichkeit" gewesen. Er habe an ihm weder eine psychische noch eine Gemütserkrankung festgestellt.

Kein Verdacht gegen Beamte

Laut der Auswertung der Videoüberwachung und der Untersuchung des digital gesicherten Riegels an der Tür zur Einzelzelle liegen keine Verdachtsmomente gegen Justizwachebeamte vor, sagte Christian Pilnacek, der Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium, der APA. Die von Zechner verdächtigte Person war offenbar bei der Medikamenten- und Essensausgabe eingesetzt. Die unabhängige Expertenkommission, die den Fall untersuchte, hatte laut Pilnacek eine Verbindung mit dem Tod Alijews eindeutig ausgeschlossen.

Der frühere Gefängnispsychiater – sein Dienstverhältnis wurde laut dem Radiobericht einvernehmlich aufgelöst – hat laut Pilnacek mit Alijew viermal "näher gesprochen", ihn in den zwei Wochen vor dessen Tod aber nur mehr "am Gang gesehen". Zechners aktueller Verdacht gegen einen Justizmitarbeiter ergebe sich aus dem damals angefertigten Einvernahmeprotokoll nicht.

"Eines gibt es jetzt zu untersuchen, und das ist das Gutachten des deutschen Rechtsmediziners Bernd Brinkmann", sagte Pilnacek. Laut dem von Alijews Anwälten beauftragten und Anfang der Woche präsentierten Gutachten ist Alijew "von fremder Hand" gestorben. Noch vor Weihnachten soll ein von der Staatsanwaltschaft Wien urgiertes Ergänzungsgutachten des Schweizer Gerichtssachverständigen vorliegen, der im Vorjahr die Selbstmordthese bestätigt hatte.

Stoff für Spekulationen

Kürzlich hatten die Alijew-Anwälte zudem einen Mithäftling Alijews aufgeboten, der am Tag nach dessen Tod "Manipulationen" an der Zellentür beobachtet haben will. "Das ist ein ganz normaler Vorgang", sagte Pilnacek dazu. Das Schloss sei für die kriminaltechnische Untersuchung und um Manipulationen auszuschließen sichergestellt worden. Und um ohne Spuren durch die vergitterten Fenster in die Zelle zu gelangen, hätte es schon Batman oder Superman gebraucht, so der Sektionschef zu einem weiteren Gerücht.

Für die Witwe wäre der Nachweis, dass Alijew nicht freiwillig aus dem Leben geschieden ist, von großem Interesse. Laut "Morgenjournal" geht es dabei auch um Millionen: Aus Kasachstan seien 30 Millionen Euro Forderungen am Erbe angemeldet worden.

Alijew war im Februar 2015 in seiner Zelle tot aufgefunden worden. Laut Justiz erhängte er sich, bevor ein Schwurprozess gegen ihn wegen der Entführung und Tötung zweier kasachischer Banker beginnen konnte. (APA, 15.12.2016)