Carsten Brzeski ist Chefökonom der ING-DiBa.

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Ein rascher und rentabler Vermögensaufbau ohne jegliches Risiko ist nicht möglich.

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Für den normalen Sparer lohnt es sich kaum noch, das Geld auf dem Sparkonto zu lassen, sagt Carsten Brzeski. Der Chefökonom der ING-DiBa wirft einen Blick auf die Hintergründe und rückt die Problematik in einen größeren Rahmen. Er spannt den Bogen von den Gründungsvätern der Union bis zur heutigen Geldmarktpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Im Rahmen der Kooperation "Mitreden macht Zukunft" geht er auf Fragen der Poster zu seinem Beitrag "EZB – Sündenbock oder Ursache allen Übels?" ein.

Carsten Brzeski: Seit dem Ausbruch der Finanzkrise wurde die Währungsunion stetig verstärkt. Rettungsschirme, Bankenunion, Investitionsprogramme. Man hat in den letzten Jahren aktiv versucht, die Konstruktionsfehler der Gründungsväter zu reparieren. Allerdings wird dabei immer um den heißen Brei herumgeredet: Eine Währungsunion ist letztendlich nur mit einer politischen Union nachhaltig. Für diese politische Union gibt es im Augenblick jedoch keine politischen Mehrheiten. Europa hat auch bei den Bürgern ein Vermarktungsproblem. Ohne einen deutlichen Schritt hin zu mehr Integration und weg von nationaler Unabhängigkeit wird Herr Stiglitz Recht bekommen. Wann, weiß niemand. Nur kurz: Was braucht die Eurozone noch? Gemeinsame Staatsanleihen (Eurobonds), Transferzahlungen zwischen Staaten, deutliche Abgrenzung zwischen europäischer und nationaler Verantwortung, einheitliche Steuerpolitik, grenzüberschreitende Investitionen, eine gemeinsame Sprache.

Carsten Brzeski: Zum Glück ist der Chefökonom kein Bankverkäufer. Schon gar nicht bei der ING-DiBa, denn da geben wir keine Beratung.

Tatsache ist, dass das schwierige Zinsumfeld Menschen dazu motivieren sollte, sich aktiver mit ihren Finanzen und ihrer Finanzplanung auseinanderzusetzen. Welche Ziele habe ich? Über welchen Zeithorizont? Gold und Immobilien kann ich zwar anfassen, aber auch diese Alternativen können großen Wertschwankungen unterliegen.

Es gibt keine risikofreie Anlage. Daher muss jeder für sich entscheiden, wie hoch sein Risikoprofil ist. Allgemein gilt dabei, dass eine breite Streuung wichtig ist. Niemand setzt nur auf ein Pferd.

Carsten Brzeski: Hier haben Sie einen wichtigen Aspekt angesprochen. Die EZB allein kann nicht die Wirtschaft wieder ankurbeln, sie braucht die Unterstützung vonseiten der Staaten, damit die Geldpolitik ihre volle Wirkung entfalten kann. EZB-Präsident Marion Draghi wird daher auch nicht müde zu betonen, dass die Umsetzung von Strukturreformen intensiviert werden muss, um das Potenzialwachstum und die Produktivität innerhalb der Eurozone zu stärken. Nur so kann das Eurowährungsgebiet widerstandsfähiger gemacht werden.

Carsten Brzeski: Ein sehr guter Aspekt. Gerade im Niedrigzinsumfeld ist eine einseitige Vermögensanlage wenig profitabel, denn für den normalen Sparer lohnt es sich kaum noch, das Geld auf dem Sparkonto zu lassen, da man nicht mehr mit Zinszugewinnen rechnen kann. Alternative Anlagemöglichkeiten wie Aktien, Anleihen oder ETFs können daher beim langfristigen Vermögensaufbau helfen, die mögliche Rendite ist dabei attraktiver als auf dem Sparkonto. Jeder Anleger sollte sich jedoch des Risikos bewusst sein, das sich hinter diesen Anlageformen verbirgt. Ein rascher und rentabler Vermögensaufbau ohne jegliches Risiko ist nicht möglich.

Carsten Brzeski: Punkt ist, dass man nicht so einfach aus dieser Phase herauskommt. Das Beispiel der amerikanischen Notenbank zeigt ja, wie schwierig es ist, trotz brummender Konjunktur und guter Arbeitsmarktlage diesen Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik zu gestalten. Heißt auch, dass die Zinsen wohl noch über Jahre hinweg niedrig bleiben werden, wenn auch nicht mehr ganz so niedrig wie momentan.

Hinsichtlich des Immobilienmarktes sollte der Markt in Österreich einigermaßen stabil bleiben. Auch bei einem hypothetischen Anstieg der Zinsen. Warum? Weil die meisten Familien ihre Kredite langfristig festgelegt haben. Amerikanische Zustände mit Zwangsverkäufen sollte es daher nicht geben. Wertverlust und Verlust beim Eigenkapital darf man der Ehrlichkeit halber allerdings nie ausschließen. (Carsten Brzeski, 19.12.2016)