Das Heumarkt-Projekt, vom ersten Bezirk aus gesehen: Deutliche Zugeständnisse, trotzdem viel Aufruhr.

Rendering: Isay Weinfeld, Sebastian Murr

Es gibt also eine Entscheidung der Stadt Wien über das Projekt am Heumarkt. Viel wurde darüber bereits gesagt und geschrieben – und es wäre eigentlich ein Wunder gewesen, wenn das auf sachliche Weise geschehen wäre. Das tut es in Wien nie, stets sind architektonische Fragen immer gleich die ganz große Auseinandersetzung: es geht um alles oder nichts, in dem Fall – wie schon bei dem letztlich verunglückten Bahnhof Wien-Mitte – um Welterbestatus oder nicht.

Das an sich ist schon ein Drama, und die Rollen darin sind schnell verteilt: hier der böse Investor/Bauherr, dessen Absichten nur finster sein können (Profit!) – dort die unfähige/politisch korrumpierte/zögerlich-zaudrige Stadt, im Würgegriff des Investors. Auf der Strecke bleibt die schöne alte Wienerstadt. Das Setting passt zum Heumarkt: Bekanntlich hatten hier über Jahrzehnte die Catcher das Sagen, und die waren berühmt dafür, dass weder ihre Argumente noch ihre Zugriffe subtil waren.

Schlichtes Feindbild

In dieser schlichten, fast schon einfältigen Geschichte rund um den Heumarkt wird viel gemogelt, getarnt, getäuscht. Der Fachbeirat der Stadt etwa, der offensichtlich im Vorfeld der Präsentation gegen das Projekt mobil machte und sich gar über eine "geheime Pressekonferenz" echauffierte, wusste über alles bescheid – und stimmte nun letztendlich dem geänderten, verkleinerten Projekt zu. Wozu also der Aufruhr? Es scheint, man wollte sich in alle Richtungen absichern, auch gegenüber der Unesco, die – sehr wahrscheinlich – auf ihrer Haltung beharren wird.

Womit die heiße Kartoffel wieder bei Stadt und Investor liegt. Nur: Die Schemata Gut und Böse, ohne Schattierungen, werden der Sache nicht gerecht.

Überall hinschauen

Natürlich will ein Investor Geld verdienen mit seinen Investitionen – anderes anzunehmen wäre naiv. In diesem Fall hat Wertinvest-Chef Michael Tojner bereits enorme Vorleistungen erbracht, er hat viel Geld in Verfahren und Architekturwettbewerb gesteckt und alles getan, was die Stadt von ihm verlangt hat.

Und die hat viel verlangt – viel mehr als in vielen anderen Fällen. Ja, in dieser Stadt haben sich Investoren breitgemacht, die in letzter Zeit viel Schund bauen haben lassen, städtebauliche Grässlichkeiten – nur eben nicht in heikler Innenstadtlage. Während sich die Unesco am Canaletto-Blick abarbeitet, entstanden anderswo in Wien, etwa an der Donau und beim Prater, städtebauliche Scheußlichkeiten erster Güte, mit minimalem öffentlichem Nutzwert und maximalen Gewinnaussichten. Grünflächen wurden flugs umgewidmet, und die Denkmalschützer, die am Heumarkt so stark sind, waren da ganz leise.

Unlogisch, aber egal

Tojner ist bereit, seinem persönlichen Nutzen vom Heumarkt einen öffentlichen gleichzustellen. Ein zuletzt stark vernachlässigtes Stück Innenstadtrand soll massiv aufgewertet werden, eine Schule hat einen neuen Turnsaal, und nicht zuletzt kann sich der in Wien heißgeliebte Eislaufverein finanziell sanieren und erhält eine niegelnagelneue Anlage, sogar mit Indoor-Trainingshalle.

Das sind Zugeständnisse, die man anerkennen muss, genauso wie jenes des Architekten, der eigentlich gewann, weil er das aus den 1960er-Jahren stammende Hotel Intercontinental erhalten wollte – das nun, wiederum Zugeständnis an die Unesco, abgerissen werden muss. Unlogisch? Ja, aber das scheint längst niemanden mehr zu kümmern.

Stadtplanungsfehler

Wenn hier jemand gepatzt hat, dann war es wohl die Stadt Wien mit dem gesamten Welterbe-Thema. In die Auszeichnung, so scheint es, ist man offenbar mehr hineingestolpert als man es wohlüberlegt hat. Jetzt sitzt man im Schlamassel, weil auch die Unesco-Kriterien starr und unbeweglich machen. Das ist mit moderner Stadtplanung nur schwer vereinbar. Statt das Problem offen anzusprechen, wurden nach allen Seiten Versprechungen gemacht – die am Ende niemanden wirklich zufrieden stellen. Und es bleibt abzuwarten, ob die Stadtregierung stark bleibt und zu dem Projekt weiter steht, wenn die Unesco mit der Aberkennung des Welterbe-Status wirklich ernst macht.

Das Einzige, was jetzt noch bleibt: aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Ob Welterbe oder nicht, das ist letztlich unerheblich. Wenn die Stadt weiß, was sie will (und vor allem, was sie nicht will), dann muss man gesetzlich vorsorgen – wie man das etwa in Innsbruck getan hat. Dort ist der Welterbestatus kein Thema, dennoch ist sehr genau festgelegt, wo privates Investment erwünscht ist und wo nicht. Das sollte man in Wien auch tun – es ist letztlich eine Frage der Fairness. (Petra Stuiber, 16.12.2016)