Mensur Suljovic hat immer und überall eine Dartscheibe dabei. Heuer ist er in die Top-Ten der Weltrangliste vorgestoßen. Spätestens mit 50 will der gebürtige Serbe aufhören. "Es ist schon sehr anstrengend."

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Wien – Zwei Kollegen sind vor Mensur Suljovic im Dartklub in Wien, Brigittenau. "Gestern habe ich einen 180er geworfen", erzählt einer. Gewonnen hat er trotzdem nicht. "Dann hilft dir der 180er auch nichts", sagt Suljovic. Der Mann weiß, wovon er spricht. Suljovic hat schon unzählige 180er geworfen und unzählige Matches gewonnen.

180 Punkte sind die maximale Ausbeute mit einer Aufnahme von drei Pfeilen. Und mit minimal neun Darts kann man vom Ausgangswert 501 auf null spielen. Einen Neundarter schafft nicht jeder. Suljovic hat heuer erstmals einen Neundarter in einem Match geworfen. Und sein erstes PDC-Ranglistenturnier gewonnen. Und erstmals die Dartlegende Phil "The Power" Taylor besiegt.

Es war ein ziemlich gutes Jahr für den 44-jährigen Wiener. Der Sieg gegen Taylor, den 16-fachen Weltmeister, sei der bisherige Höhepunkt gewesen. Der 56-jährige Engländer ist eines seiner Idole. "Und gegen Idole zu spielen, ist immer schwer."

Endlich lohnt sich der Sport

Aber das Jahr ist noch nicht vorbei. Der Höhepunkt steht an: die Weltmeisterschaft. 2010 und 2015 war Suljovic schon im Achtelfinale. 2010 war es eine Sensation. Heuer wäre es das nicht mehr. In die Top-16 der Weltrangliste wollte er in diesem Jahr vorstoßen. Jetzt ist er Achter. Mehr als 100.000 Euro brutto hat er heuer verdient. Endlich kann er von seinem Sport leben. "In den 20 Jahren davor habe ich nur investiert." Vor zwei Jahren war er kurz davor, aufzuhören. Sportlich lief es zwar nicht schlecht. Aber es zahlte sich nicht aus. "Wenn ich 1500 Euro Preisgeld gewonnen habe, dann hat das gerade die Reisekosten abgedeckt."

Suljovic schlug heuer erstmals die Dartlegende Phil Taylor (rechts).
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In Billigunterkünften, wie früher, muss er nicht mehr nächtigen. Anfang nächster Woche reist er nach London, wie sein Landsmann Zoran Lerchbacher spielt Suljovic am Mittwoch seine WM-Erstrundenpartie. Der dritte Österreicher, Rowby-John Rodriguez, greift am Donnerstag ins Geschehen ein. Suljovic trifft auf den Niederländer Ron Meulenkamp. "Er ist wirklich gut."

Die erste Runde zu überstehen, sagt Suljovic, sei am schwersten. An die Atmosphäre im Alexandra Palace zu London hat sich Suljovic mittlerweile gewöhnt. Im "Ally Pally" wird getrunken, gesungen, gefeiert. "Hin und wieder ist es störend, wenn das Publikum pfeift. Aber da muss man durch." Suljovic, Spitzname "The Gentle" ("Der Sanfte"), ist eher ein ruhiger Zeitgenosse, nicht so extrovertiert wie manche seiner Konkurrenten.

Keine Angstgegner mehr

"Ich habe früher überhaupt nicht auf der Bühne spielen können." Zweieinhalb Jahre lang hat Suljovic mit einem Mentaltrainer gearbeitet. Der Coach hat ihm speziell auf ihn zugeschnittene CD’s hinterlassen. Da werden auch seine einstigen Angstgegner thematisiert. "Jetzt habe ich alle geschlagen." Taylor war einer von ihnen. Der Engländer ist in Großbritannien eine Berühmtheit. Genauso wie der schottische WM-Titelverteidiger Gary Anderson (45), oder der aktuelle Topstar der Szene, der Niederländer Michael van Gerwen (27). "Van Gerwen kann in England nicht alleine spazieren gehen." Suljovic ist froh, dass es ihm nicht so ergeht. In Österreich wird er hin und wieder auf der Straße erkannt. Eine Berühmtheit ist er aber nicht. "Ich bin froh, so ist es ruhiger."

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Gary Anderson (links) war zweimal in Folge Weltmeister, Michael van Gerwen (rechts) ist derzeit der Topstar der Szene.
Foto: AP Photo / John Walton, PA

Die mangelnde Anerkennung von Darts als Sportart stört Suljovic aber. "Jeder kennt Darts, aber es hat einen schlechten Ruf." Als Wirtshaussport wird Darts gerne gesehen. "Ich möchte, dass einer fünf, sechs Stunden trainiert, und dann schauen wir, ob es ein Sport ist oder nicht."

Bis zu zehn Stunden Training

An manchen Tagen übt Suljovic sogar bis zu zehn Stunden. Nur die Füße tun ihm dann ein bisschen weh. Der Arm schmerzt nicht. "Da würde man etwas falsch machen." Kraft und Kondition trainiert er auch. "Muss sein."

Suljovic sieht sich nicht als Naturtalent. "Ich bin leider einer, der viel trainieren muss." Sogar im Urlaub hat Suljovic die Dartscheibe dabei. Um im Rhythmus zu bleiben. Seine Frau akzeptiert das. Die Familie steht ohnehin hinter dem gebürtigen Serben. Suljovics neunjähriger Sohn spielt selbst schon begeistert Darts. "Ich muss ihn bremsen, damit er die Schule nicht vernachlässigt."

Wetten, dass der Bruder gewinnt?

Sein Bruder nahm anfangs nicht wirklich ernst, was Mensur macht. "Gib mal meinen Namen in Google ein", riet ihm Mensur. Der Bruder war beeindruckt. Seither wettet er auf Mensur. 1000 Euro hat er gesetzt, als Suljovic Taylor schlug. Gewinn: 7500 Euro. Der Bruder ist mittlerweile ein Dartfan, vor allem von Doppelweltmeister Anderson. "Den Anderson", habe er zu ihm gesagt, "schlägst du nie". Dann schlug er ihn.

Während der WM wird der Bruder wohl wieder wetten. Suljovic will es nicht genau wissen. Das erhöht den Druck. Und Druck hat er auch so schon genug. Aber Mensur Suljovic kann jetzt mit Druck umgehen. (Birgit Riezinger, 19.12.2016)